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Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe

Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe

Titel: Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Gabe
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verlegen. »Sie wissen doch selbst, wie schwer Sie sich immer damit tun, Leute wegzuschicken.«
    »Das hier ist etwas anderes. Das hier ist Chaos. Ich werde nicht in der Lage sein, überhaupt jemanden zu behandeln mit diesem Mob vor der Tür. Sie müssen gehen.«
    »Gut. Ich werde es Conny sagen, und wir komplimentieren sie hinaus.«
    Alan steuerte auf sein Büro zu, während Denise eilig zum Vordereingang hastete. Als er einen Teil der Morgenpost überflog, hörte er, wie sich Connys Stimme erhob, um die Entscheidung zu verkünden. Ein Wirrwarr von Stimmen folgte, einige wütend, andere enttäuscht.
    Und dann hörte er Denise rufen: »Sir! Sir! Sie können da nicht hingehen!«
    Eine fremde Stimme antwortete: »Und ob ich kann! Meine Frau ist krank, und sie braucht ihn, und ich werde ihn jetzt holen!«
    Aufgeschreckt von dem Tumult trat Alan in den Flur. Er erblickte einen dünnen, graumäusigen Mann mit schütteren Haaren in einem ebenso angegrauten Trainingsanzug, der auf ihn zukam.
    »Was fällt Ihnen ein, hier so einzudringen?«, fragte Alan mit leiser Stimme und spürte, wie die Wut in ihm hochkochte.
    Diese Wut musste man ihm angesehen haben, denn der Mann blieb abrupt stehen.
    »Sind Sie Dr. Bulmer? Der aus der Zeitung?«
    Alan stach ihm mit dem Finger vor die Brust. »Ich fragte Sie, was Sie hier wollen?«
    »Ich … nun, ich muss den Doktor sehen.«
    »Nein, das müssen Sie nicht. Sie werden gehen! Sofort!«
    »Warten Sie. Meine Frau …«
    »Raus! Alle!«
    »Hey!«, schrie jemand. »Sie können uns nicht einfach rausschmeißen!«
    »Nein? Das werden wir ja sehen! Conny!« Das besorgte Gesicht seiner Sprechstundenhilfe erschien um die Ecke hinter der Menschenmenge. »Rufen Sie die Polizei. Sagen Sie ihnen, dass wir im Gebäude Eindringlinge haben, die die Versorgung der Patienten stören.«
    »Aber wir sind auch Patienten!«, sagte einer.
    »Und was soll das heißen? Dass ich Ihnen gehöre? Dass Sie hierherkommen und meine Praxis übernehmen können? Nein! Ich entscheide, wen ich behandle und wann. Und ich werde keinen von Ihnen behandeln. Nun gehen Sie, alle. Raus !«
    Alan drehte sich um und ging wieder in sein Büro. Er warf sich in den Stuhl hinter dem Schreibtisch und beobachtete seine zitternden Hände. Sein Körper war mit Adrenalin überschwemmt. Seine Wut war echt und er hatte damit die Menge wirklich vertreiben können.
    Schließlich schlug sein Herz wieder normal, seine Hände waren wieder ruhig. Er erhob sich und trat zum Fenster.
    Die Fremden waren dabei zu gehen. Einzeln und in Paaren – laufend, hinkend, in Rollstühlen – gingen sie wieder zu ihren Wagen. Einige blickten finster und murmelten zornig, aber die meisten Gesichter waren in sich gekehrt, vergeblich bemüht, die niederschmetternde Enttäuschung einer weiteren verlorenen Hoffnung zu verbergen.
    Alan wandte sich ab, damit er sie nicht mehr sehen musste. Sie hatten kein Recht, in seine Praxis einzudringen, und er hatte das Recht, sie wegzuschicken. Es war eine Sache des Selbstschutzes.
    Warum fühlte er sich dann so elend?
    Menschen sollten sich nicht so fühlen. So ohne jede Hoffnung. Es gab immer eine Hoffnung. Oder nicht?
    Ihre mutlosen Gesichter hämmerten auf ihn ein, als er dasaß, sie stürmten auf ihn ein, rannten gegen seine Verteidigungslinien an, bis er fühlte, wie sie nachgaben. Er riss die Bürotür auf und schritt in den Flur. Er konnte sie nicht so weggehen lassen, nicht wenn er die Möglichkeit hatte, ihnen zu helfen.
    Ich werde das noch bereuen.
    Er verabscheute Dummheit. Und er hatte sich entschieden, etwas sehr Dummes zu tun. Er würde jetzt auf den Parkplatz gehen und diesen Leuten sagen, dass sie ihn von zu Hause aus anrufen und seiner Sprechstundenhilfe sagen sollten, dass sie an diesem Morgen hier gewesen wären, dann würden sie einen Termin erhalten.
    Ich kann es tun, sagte er sich.
    Wenn er äußerst vorsichtig war und jeden Einzelnen zur Geheimhaltung verpflichtete, könnte das vielleicht funktionieren, ohne sich selbst zu kompromittieren.
    Es war ein Seiltanz.
    Wie gut war er im Balancieren?

 
    JUNI
     
     
     
    21. Alan
     
    »Ich wusste, es würde so weit kommen!«, sagte Ginny hinter ihrer Morgenzeitung am Frühstückstisch.
    »Wohin kommen?«, fragte Alan. Er goss sich gerade eine zweite Tasse Kaffee an der Anrichte ein.
    »Als ob nicht alles schon schlimm genug wäre – jetzt das hier!« Sie schob die Zeitung über den Tisch. Es war das lokale Wochenblatt, der Monroe Express . Sie hatte den

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