Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe
dass es Unsinn ist. Bitte!«
Hatte sie recht? Er hatte gehofft, dass das Gerede allmählich verstummen würde, aber dem war nicht so. Ihm wurde jetzt klar, solange er das Dat-tay-vao anwendete und immer mehr Unheilbare heilte, würde es niemals aufhören. Es würde nur noch schlimmer werden.
»Vielleicht hast du recht. Vielleicht sollte ich sofort und für immer damit aufhören.«
Ginny lächelte. Das erste echte Lächeln, das er seit Wochen auf ihrem Gesicht gesehen hatte. »Großartig! Wann?«
»Bald. Sehr bald.«
»Dr. Bulmer!«
Er hörte Conny den Flur entlanghasten. Sie platzte in sein Büro und hielt ihm eine Zeitschrift unter die Nase.
»Sehen Sie!«
Es war die Wartezimmerkopie der neuesten Ausgabe von People . Conny hatte einen Artikel mit der Überschrift »Die Wunder in Monroe« aufgeschlagen. Es waren Fotos und Fallbeschreibungen von vielen seiner Patienten. Am Ende des Artikels war ein grobkörniges Foto von ihm, als er die Privattür seines Bürogebäudes verließ.
Die Bildunterschrift lautete: »Der geheimnisumwitterte Dr. Bulmer, der jeglichen Kommentar verweigert.«
»Wunderbar!«, sagte er und fühlte sich schlecht. Das war die Krönung. Es konnte kaum noch schlimmer werden.
Conny brachte ihm zwei Tage später das Einschreiben.
Der Absender war das Monroe-Community-Hospital. Aus dem Brief ging hervor, dass er vor das Kuratorium zitiert wurde, »um die ihn betreffenden Gerüchte und sensationsheischenden Geschichten zu erklären und zu erhellen«, die allmählich »eine schädliche Wirkung auf den Ruf des Krankenhauses« ausübten. Er wurde am Freitag erwartet – also in drei Tagen.
Das war ja zu erwarten, dachte er. Es war ihm die ganze Zeit irgendwie klar gewesen, dass er früher oder später mit der Ärzteschaft in Konflikt geraten würde. Nicht so sehr mit den einzelnen Ärzten, sondern mit den Bürokraten, die von Krankheiten und Verletzungen lebten, ohne jemals einen Patienten zu behandeln oder sich ihm zu nähern.
»Sagen Sie für den Rest der Woche alle meine Termine ab. Und sehen Sie nach, ob Mr DeMarco in seinem Büro ist. Sagen Sie ihm, ich müsse sofort mit ihm sprechen.«
Einen Moment später rief sie ihn zurück. »Mr DeMarco ist im Gericht und wird erst nachmittags wieder hier sein. Er ruft Sie dann zurück. Auf der anderen Leitung ist eine Mrs Toad. Sie sagt, sie müsse Sie sofort sprechen.«
22. Sylvia
»Ich glaube, Sie stecken in Schwierigkeiten.«
»Glauben Sie, ich weiß das nicht?«
Alan lächelte sie über den Tisch hinweg an – dem gleichen Tisch, an dem sie nach der Begegnung auf dem Friedhof gefrühstückt hatten. Es war ein schwaches Lächeln, aber es schien echt zu sein. Er sah ausgemergelter und verhärmter aus als bei ihrem letzten Treffen. Es hatte sie schockiert, dass die Klinikleitung ihn tatsächlich zu diesem Termin bestellt hatte, und sie hatte unverzüglich versucht, ihm zu helfen.
»Ich hörte von Ihrer Anhörung vor dem Kuratorium.«
»Schlechte Nachrichten verbreiten sich schnell.«
»Nicht so schnell, wie Sie vielleicht denken. Ich habe für diesen Erweiterungsbau viel Geld gespendet und erfahre darum Neuigkeiten eher als andere. Deswegen habe ich dann einige Leute angerufen und …« Sie wollte nicht die Überbringerin schlechter Botschaften sein, aber er musste es erfahren. Er musste vorbereitet sein.
»Und?«
»Es sieht nicht gut aus.«
Er zuckte die Schultern.
»Nehmen Sie das nicht zu leicht, Alan. Die vier Mitglieder des Ausschusses, mit denen ich sprach, waren über diesen Leitartikel im Express wirklich besorgt und nehmen die Spekulationen sehr ernst. Sie fangen an, Sie als wirkliche Gefahr für die Erweiterung zu sehen.«
»Mit wem haben Sie gesprochen?«
»Mit meinem Schwiegervater natürlich. Er makelt alle Versicherungen für das Krankenhaus – ein größeres Krankenhaus bedeutet für ihn höhere Prämien. Zwei anderen musste ich versprechen, ihre Namen nicht zu erwähnen, aber ich kann Ihnen sagen, dass einer die Bank leitet, bei der ich meine Konten habe, und der andere erledigt für mich zuweilen Grundstücksgeschäfte.«
Sie wartete auf ein erkennendes Aufleuchten in Alans Augen und auf ein konspiratives Lächeln, das ihres spiegelte, aber beides blieb aus.
»Es tut mir leid …«, sagte er mit einem verwunderten Kopfschütteln. »Ich …«
Wie konnte er die Namen der Mitglieder des Kuratoriums vergessen haben? War es möglich, all die Jahre als Mitarbeiter im Krankenhaus zu arbeiten und ihre Namen
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