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Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe

Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe

Titel: Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Gabe
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hereingekommen war, hatte er im Lehrbuch nachschlagen müssen, um den Namen der Krankheit zu finden – Spondylitis ankylosans, auch bekannt als Morbus Bechterew. Er konnte nicht denken !
    Gott, was geschah nur mit ihm? Warum konnte er sich nicht an alltägliche Dinge erinnern? Hatte es etwas mit dem Dat-tay-vao zu tun, oder wurde er senil? Für diesen Zustand gab es eine Bezeichnung, aber im Moment fiel sie ihm nicht ein. Zumindest hatte er keinen Gehirntumor – den Beweis hatte er schwarz auf weiß von der Radiologieabteilung der Universitätsklinik.
    Er schloss die Augen. Er war müde.
    Als er sie wieder öffnete, war es dunkel. Er fuhr hoch. So lange konnte er doch nicht gedöst haben. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass kaum anderthalb Stunden verstrichen waren. Dann hörte er ein Donnergrollen und verstand: Ein Gewitter war im Anmarsch.
    Die Türglocke läutete. War er davon wach geworden? Alan schaltete das Licht ein und öffnete die Tür. Vor ihm stand ein Mann. Er war klein und schmal, trug eine Windjacke der Miami Dolphins und befingerte nervös eine Baseballkappe in den Händen, während er redete.
    »Dr. Bulmer, kann ich Sie eine Minute sprechen?«
    Er hatte diesen Blick, diesen hungrigen Blick. Alan schluckte.
    »Sicher. Was kann ich für Sie tun?«
    »Es geht um meine Frau, Doktor. Sie –«
    Alan hatte plötzlich ein ungutes Gefühl. »Waren Sie in meiner Praxis?«
    »Ja. Aber man hat mich nicht zu Ihnen gelassen. Verstehen Sie, meine –«
    »Wie haben Sie meine Adresse herausgefunden?«
    »Ich bin Ihnen von der Praxis aus gefolgt.«
    Mein Gott! Daran hatte er überhaupt nicht gedacht!
    Alan sah über den Mann hinweg auf die Straße. Die Gewitterwolken verschluckten das Tageslicht in zunehmendem Maße, aber die flackernden Blitze enthüllten eine Karawane von Autos, die am Straßenrand zum Halten kam.
    »Ich sehe, Sie sind nicht allein gekommen.«
    Der Mann sah sich mit offensichtlicher Verärgerung um. »Ein paar andere Kerle sind Ihnen auch gefolgt. Sie müssen es den anderen gesagt haben. Ich wollte eigentlich warten, bis Sie rauskommen, aber als ich die sah, dachte ich, ich komme besser als Erster zu Ihnen.«
    »Ich kann jetzt nichts für Sie tun«, erwiderte Alan. War das ein Vorgeschmack auf das, was ihm in Zukunft immer bevorstand? Leute, die an seiner Tür klingelten und in seinem Vorgarten kampierten? »Ich sagte es bereits: morgen um fünf.«
    »Das weiß ich. Aber sehen Sie, wir leben in Stuart – das ist nördlich von Palm Beach in Florida –, und meine Frau ist zu krank für einen Transport, darum dachte ich, Sie kommen vielleicht mit, um sie sich anzusehen.« Er lachte nervös. »Ein etwas entfernter Hausbesuch, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    Trotz seines wachsenden Unbehagens war Alan von diesem kleinen Mann gerührt, der den ganzen Weg für seine kranke Frau gefahren war.
    »Ich glaube nicht, dass ich das kann«, sagte Alan. Er konnte seine Augen nicht von der immer größer werdenden Menge draußen abwenden. »Zumindest jetzt nicht.«
    »Ich fahre Sie. Machen Sie sich deswegen keine Sorgen. Es ist nur« – seine Stimme brach –, »sie liegt im Sterben, und keiner scheint ihr helfen zu können.«
    »Ich kann jetzt hier nicht weg«, sagte Alan, so sanft er konnte. »Ich habe zu viele Menschen, um die ich mich kümmern muss –«
    »Sie sind ihre einzige Chance, Mann. Ich habe gesehen, was sie heute Nachmittag bewirkt haben, und wenn Sie diesen Menschen helfen konnten, dann können Sie ihr auch helfen, das weiß ich.«
    Ungefähr ein Dutzend Leute kamen über den Rasen auf sie zu. Der Donner ließ die Fenster klappern. Die Schleusen des Himmels würden sich jede Minute öffnen. Alan setzte an, die Tür zu schließen.
    »Es tut mir leid, aber –«
    »Mir tut es noch mehr leid, verdammt!«, sagte der Mann, trat vor und schob den Fuß in die Tür. »Sie werden mitkommen!«
    »Aber verstehen Sie nicht, ich –«
    »Sie müssen, Mann! Ich zahle jeden Preis, den Sie wollen!«
    »Es geht nicht um Geld.« Die Leute waren auf der Zufahrt und schon fast vor der Haustür. »Es tut mir leid«, sagte er und versuchte, die Tür zuzuschieben.
    »Nein!«, ertönte es von dem Mann und den anderen, die direkt hinter ihm standen. Sie warfen sich nach vorn und stießen die Tür auf. Alan verlor das Gleichgewicht und taumelte zurück.
    Aber sie machten an der Tür nicht halt. In einem blinden hektischen Ansturm quetschten sich zwei oder drei gleichzeitig durch die Tür – mit glasigen Augen,

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