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Widersacher-Zyklus 05 - Nightworld

Widersacher-Zyklus 05 - Nightworld

Titel: Widersacher-Zyklus 05 - Nightworld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
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Das verstörende Kräuseln ist verschwunden, aufgesogen von den dicken, isolierenden Schichten der Nacht, die wie ein Leichentuch darüber liegen.
    Rasalom begibt sich wieder zur Ruhe und erwartet die Nichtdämmerung.
    »Jeffy?«
    Ihr kleiner Junge stand stocksteif da, die Hand auf dem Knauf gelegt, und starrte ihn an. Sein Schmerzensschrei hatte sie wie ein Speer durchbohrt und sie war augenblicklich an seiner Seite. Jetzt ragte sie neben ihm auf und hatte fast Angst, ihn zu berühren.
    »Jeffy, geht es dir gut?«
    Er rührte sich nicht, sprach nicht.
    Sylvia fühlte, wie sich eine Schicht aus Eiskristallen an ihren Herzkammern ausbildete.
    Nein! Bitte, Gott, nein! Lass das nicht zu!
    Sie ergriff ihn an den Schultern und drehte ihn zu sich um, fasste sein Kinn mit Daumen und Zeigefinger und hob seinen Kopf, bis sie ihm in die Augen sah.
    Und die Augen …
    »Jeffy!«, schrie sie auf, kaum imstande, ihre Stimme unter Kontrolle zu halten. »Jeffy, sag etwas! Weißt du, wer ich bin? Wer bin ich, Jeffy? Wer bin ich?«
    Jeffys Blick strich über ihr Gesicht zu einem Punkt hinter ihrer Schulter, ruhte da ein paar Sekunden und strich dann weiter. Seine Augen waren leer. Leer!
    Sie kannte diesen Ausdruck.
    Sie kämpfte gegen die herannahende Schwärze an, in die sich ihr Verstand zurückziehen wollte. Sie hatte zu viele Jahre mit diesem Gesichtsausdruck gelebt, um ihn jetzt zu verkennen. Jeffy war wieder so, wie er gewesen war.
    »Oh nein!«, stöhnte sie, schlang die Arme um ihn und zog ihn an sich. »O nein, nein, nein, nein!«
    Das kann nicht sein!, dachte sie und drückte seinen teilnahmslosen, desinteressierten Körper an sich. Zuerst Alan und jetzt Jeffy … Ich kann sie doch nicht beide verlieren! Das geht doch nicht!
    Sie blickte durch den Raum auf Glaeken, der sie mit gequältem Gesichtsausdruck ansah. Sie hatte sich nie in ihrem Leben so verloren, so allein, so vollkommen elend gefühlt, und es war alles seine Schuld.
    »Muss das sein?«, rief sie. »Ist das so? Muss ich denn alles verlieren? Warum? Warum ich? Warum Jeffy?«
    Sie hob Jeffy hoch und trug ihn aus dem Raum. Beim Gehen schleuderte sie Glaeken und den anderen noch eine letzte Frage zu:
    »Warum nicht ihr?«
    Die Schwere in Glaekens Brust wurde immer drückender, als er am anderen Ende des Wohnzimmers stand und Sylvia mit ihrem wieder autistischen Kind fliehen sah.
    Weil das Krieg ist, dachte er als Antwort auf ihre letzte Frage. Und jeder Krieg fordert seinen Preis, von den Siegern wie den Verlierern.
    Selbst in dem unwahrscheinlichen Fall, dass wir das hier gewinnen, werden wir für immer verändert sein. Niemand von uns wird das unbeschadet überstehen.
    Aber dieses Wissen linderte seinen Kummer über den Verlust der geistigen Gesundheit des kleinen Jungen kein bisschen.
    Ein einzelner Schluchzer entrang sich Carol wie ein Pistolenschuss in der Totenstille. Bill nahm sie in die Arme. Jack stand da, die Hände in den Hosentaschen, und starrte zu Boden. Ba wirkte einfach … verloren. Und gequält. Glaeken wusste, alles, was seiner Missus wehtat, peinigte ihn doppelt. Seine schmerzerfüllten Augen spiegelten den Widerstreit in seinem Innern – er war hin- und hergerissen, ob er Sylvia folgen oder bleiben sollte. Er machte einen Schritt zur Tür, dann drehte er sich wieder um und lehnte sich gegen die Wand.
    Glaeken wandte sich an die anderen. »Wir sind bereit.«
    »Wie können Sie nur so kalt sein?«, funkelte Carol ihn an.
    »Ich bin nicht unempfänglich für ihre Qual. Mir tut das Kind leid und mehr noch seine Mutter. Er hat vielleicht seine Aufnahmefähigkeit und die Fähigkeit verloren, mit der Welt um ihn herum zu kommunizieren, aber er hat auch die Perspektive verloren – er weiß gar nicht, was ihm fehlt. Sylvia schon. Sie empfindet den Schmerz für sie beide. Aber wir müssen unseren Kummer auf später vertagen. Wenn der Preis, den das Kind bezahlt hat, eine Bedeutung haben soll, dann müssen wir jetzt den letzten Schritt tun.«
    »Gut«, sagte Jack. »Was tun wir also?«
    »Wir fügen den Knauf und die Klinge zusammen.«
    »Das war’s dann? Und was dann?«
    »Dann erreicht das Signal den Verbündeten oder es tut es nicht. Und dann antwortet der Verbündete oder er tut es nicht.«
    »Jetzt geht es also ums Ganze, was?«
    »In diesem Fall buchstäblich.«
    »Dann bringen wir das jetzt hinter uns. Wir haben lange genug gewartet. Tun wir es endlich.«
    Jack schien es furchtbar eilig zu haben. Warum?
    Er hob den Knauf auf, wog ihn in der Hand

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