Widersacher-Zyklus 05 - Nightworld
durch ihr Fleisch dröhnte, jede Zelle ihres Körpers erschütterte und den Kern ihres Seins zum Beben brachte.
Als sie zu Boden stürzte, hörte sie schwach Mokis Stimme über dem Lärm.
»Ein Erdbeben!«
Er kroch zu ihr herüber und rollte sich auf sie, benutzte seinen Körper, um sie vor den Regalen und Lampen und Skulpturen zu schützen, die um sie herum umstürzten.
Es zog sich endlos hin. Kolabati hatte keine Ahnung, wie die Stelzen, auf denen das Haus ruhte, das aushielten. Jeden Augenblick mussten sie nachgeben und das Haus den Abhang hinunterrutschen. Nur einmal zuvor in ihrem Leben – als Jack sich ihre Halskette für ein paar Stunden geliehen hatte und die Last der Jahre sich mit all ihrem Gewicht auf sie legte – hatte Kolabati sich dem Tod so nahe gefühlt.
Die Erdstöße und Erschütterungen hielten an, wurden aber schwächer, gedämpfter. Moki stemmte sich von ihr hoch und rappelte sich auf die Füße.
»Pehea oe?«
»Alles in Ordnung – glaube ich.« Sie machte sich nicht die Mühe, auf Hawaiianisch zu antworten.
Sie klammerten sich aneinander wie Seeleute auf einem sturmgepeitschten Deck. Kolabati sah sich um. Der Wohnbereich lag in Trümmern. Mokis Skulpturen waren überall verstreut, das Schnitzwerk angestoßen und gesplittert, die Bodenplatten aus Lava zertrümmert.
»Ach Moki. Deine Arbeit!«
»Die Skulpturen sind nicht wichtig«, sagte er und zog sie fest an sich. »Sie gehören zur Vergangenheit. Ich hätte sie sonst selbst zerstören müssen. Verstehst du das nicht, Bati? Das ist es! Der Neuanfang, von dem ich dir erzählt habe. Es ist so weit!«
Er zog sie zu der schwankenden Lanai, wo sie sich über das Geländer lehnten und zur dunklen Masse des Haleakala hochblickten, auf den Gipfel, der jetzt von einem feurigen Licht gesäumt war.
»Da, sieh, Bati!«, sagte er und deutete mit dem Finger den Berghang hoch. »Haleakala lebt! Nach Hunderten von Jahren, die er geschlafen hat, ist er jetzt wieder zum Leben erwacht! Für mich! Für uns!«
Kolabati riss sich los von ihm und floh zurück ins Innere der Hütte. Sie betätigte einen Lichtschalter nach dem anderen, aber es blieb dunkel im Zimmer. Sie bahnte sich einen Weg durch die Trümmer und versuchte, den Fernseher einzuschalten, aber nichts geschah. Der Strom war ausgefallen. Glücklicherweise hatten sie einen Generator. Sie hoffte, dass der noch funktionierte.
»Bati!«, rief Moki. »Hele mai. Gesell dich zu mir und lass uns Haleakala zusehen. Das Haus der Sonne hat seine Feuer wieder entzündet. Es ruft uns nach Hause!«
Kolabati stand in den Trümmern ihres Hauses – ihres Lebens – und wusste, ihre Zeit des Friedens war vorbei. Die Dinge würden nie wieder so sein wie zuvor. Sie hatte Angst.
»Das war nicht nur ein Ausbruch des Haleakala, Moki.« Ihre Stimme zitterte wie der Boden unter ihren Füßen. »Da ist noch etwas anderes passiert. Etwas viel Gewaltigeres und Verheerenderes als ein alter Vulkan, der wieder erwacht ist.«
Das ist das Ende der Welt, dachte sie.
Sie fühlte es in ihren Knochen und in der Art, wie die uralte Halskette auf ihrer Haut pulsierte. Die Luft um sie herum kreischte, ein gequältes Atman , hervorgebracht durch plötzlichen, gewaltsamen Tod.
Haleakala war wieder ausgebrochen, aber was war außerdem passiert?
Der Schmerz ist verschwunden. Nur die Verzückung bleibt. Und sie steigert sich. Die Nachtgestalten toben sich in den dunklen Regionen oben aus. Rasalom spürt den Taumel aus Angst und Schmerz und Kummer und Qual, die sie hinterlassen.
Und dann die Zuckungen von Tod und Panik, als die pazifischen Vulkane tobend wieder zum Leben erwachten. Der Ansturm war fast nicht zu ertragen.
Deswegen hat sich auch das Tempo seiner Verwandlung gesteigert. Er ist jetzt erheblich größer und sein steinerner Uterus hat sich ausgedehnt, um ihm Platz zu schaffen. Die abgeplatzten Steinsplitter sind in dem Loch verschwunden, das sich im Boden der Kammer gebildet hat. Wie die anderen Löcher, die sich rund um den Erdball geöffnet haben, ist auch dieses bodenlos. Aber es führt auf einen anderen Ort hinaus. Einen Ort eisiger Flammen. Sogar jetzt dringt ein schwaches Glühen aus der Tiefe hoch.
Und die Verwandlung … Seine Gliedmaßen haben sich verdickt und zu einer fast steinernen Konsistenz verhärtet. Sein Kopf hat sich in den Rumpf zurückgezogen, konzentriert sein Wesen in einer weichen, kugelförmigen Masse, einem fleischigen Mittelpunkt in der Nabe eines Rades mit vier Speichen.
Er streckt
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