Widersacher-Zyklus 05 - Nightworld
Erinnerst du dich an die Silberfischchen, die wir manchmal bei dir im Badezimmer finden?«
Vicky zog eine Grimasse. »Bäh.«
»Na ja, Plünderer sind noch schlimmer als Silberfischchen. Während gute Menschen damit beschäftigt sind, Feuer zu löschen oder den Opfern eines Erdbebens oder eines Tornados zu helfen, schleichen sich die Plünderer da rein und stehlen alles, was nicht niet- und nagelfest ist. Die Kerle wollten nicht mit uns mitfahren, die wollten unser Auto.«
»Das ist nicht gerecht.«
»Gerechtigkeit ist ein Wort, das für die keine Bedeutung hat, Vicks.«
»Da!«, sagte sie und deutete nach links, als sie die Fifth Avenue überquerten. »Noch mehr Plünderer!«
Sie hatte recht. Ganze Horden von Leuten sprangen durch die zerstörten Fenster der Geschäfte an der Fifth Avenue hinein und wieder heraus und verschwanden im trüben Dämmerlicht mit Schmuck oder Juwelen - allem, was sie tragen konnten. Jemand hatte einen LKW auf dem Bürgersteig vor Bergdorfs abgestellt und lud ihn mit Kleidern voll. Als Jack weiterfuhr, sah er noch einen bärtigen Mann, der wie ein Professor aussah, der mit einem halben Meter hohen Stapel Bücher aus dem großen Loch kroch, das einst die Schaufensterscheibe der Doubleday-Filiale gewesen war.
»Jeder macht da mit«, sagte er.
Gia sah sich um. »Wo zum Teufel ist die Polizei?«
»Die können nicht überall sein, schätze ich. Aber wenn die Sonne ganz aufgegangen ist, dann verkriechen sich diese Kakerlaken wieder in ihren Nestern.«
»Das sind doch erst zwei Tage. Ich hätte nie gedacht …« Ihre Stimme verebbte.
»Was? Dass die Dinge so schnell auseinanderfallen könnten? Die Stadt ist zu einer Kloake geworden, Gia. Während des letzten Jahres scheint sich der Abschaum, der über das ganze Land verteilt war, hier zusammengefunden zu haben. Die Tünche aus Zivilisation ist jetzt so dünn wie die Schicht Gold auf dem Schmuck, der auf den Straßen verhökert wird. Reib damit ein paarmal gegen deine Jeans und das billige Metall scheint durch.«
»Was ist mit Nachbarschaftshilfe und dem Zusammenhalten in Zeiten der Not?«
»Vielleicht gibt es so etwas in Iowa, wo du aufgewachsen bist, und vielleicht findet man das auch hier noch hie und da, aber nicht genug, dass es einen Unterschied machen würde. Die guten Menschen werden gezwungen, sich zu verstecken, und der Abschaum kann tun und lassen, was ihm gefällt.«
»Das glaube ich nicht. Das will ich einfach nicht glauben. Und es stört mich, zu wissen, dass du das glaubst.«
Jack zuckte die Achseln. »Bei meiner Arbeit verbringt man eine Menge Zeit bis zum Bauchnabel im Dreck. Du …«
»Oh mein Gott«, schrie Gia auf, reckte den Hals und starrte durch die Windschutzscheibe nach oben.
Jack wurde langsamer und blickte hinauf. Etwas Helles oben im Himmel. Er reckte den Kopf aus dem Fenster – und hielt den Wagen an, um sich das anzusehen.
Vicky steckte den Kopf hinter ihm aus dem Fenster. »Oh, toll.«
»Jack! Was passiert da? Was ist das?«
»Sieht aus wie ein Haus«, sagte Vicky.
Ungefähr einen Kilometer hoch, irgendwo über dem West Side Highway oder den Midtown Piers, schwebte ein Gebäude in der Luft. Es hing da, als sei es von einem unsichtbaren Draht gehalten und drehte sich langsam um die eigene Achse, das Dach leicht nach Osten geneigt, die losgerissene Unterseite nach Westen. Das Licht der aufgehenden Sonne spiegelte sich in den wenigen heil gebliebenen Fenstern. Losgebrochenes Mauerwerk schwebte darum herum. Winzige Gestalten lehnten aus den Fenstern, winkten mit Hemden und Handtüchern in dem verzweifelten Versuch, die Aufmerksamkeit der Polizeihubschrauber auf sich zu lenken, die darum herumkreisten wie Fliegen um einen Leichnam.
»Verdammt«, sagte Jack, der dem langsam nach oben entschwindenden Gebäude hinterherstarrte. »Das steigt immer noch höher.«
Die armen Schweine, die darin gefangen waren, waren dem Untergang geweiht, wenn sie nicht eine Möglichkeit fanden, in einen der Hubschrauber umzusteigen.
Wenigstens wusste er jetzt, wo sich ein großer Teil der Polizisten befand.
»Verschwinden wir von hier«, sagte Gia.
Jack gab Gas und sie fuhren weiter in westlicher Richtung. Er widerstand der Versuchung, ihr zu sagen: Ich habe es dir doch gesagt. Er ignorierte die roten Ampeln bis zur Amsterdam Avenue, dann raste er stadteinwärts zum Isher Sports Shop.
Abe stand draußen und wartete neben seinem Lieferwagen vor den zerstörten Schaufenstern des Ladens. Er war so fasziniert von dem
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