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Widersacher-Zyklus 05 - Nightworld

Widersacher-Zyklus 05 - Nightworld

Titel: Widersacher-Zyklus 05 - Nightworld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
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weswegen? Um ihn zu isolieren? Ihn an sich zweifeln zu lassen? Ihn dazu zu bringen, sich davor zu fürchten, je wieder jemanden an sich heranzulassen, für jemanden etwas zu empfinden?
    Hallo, da unten!, dachte er und sah aus dem Fenster hinaus auf das Loch in der Sheep Meadow, ein dunkler Fleck im Licht der Nachmittagssonne. Weißt du was? Es funktioniert.
    Wozu taugte er denn noch? Welchen Nutzen hatte er für Glaeken? Er brachte allen doch nur Unglück. Warum behielt der alte Mann ihn um sich?
    Eine Frage ohne Antwort. Glaeken war nicht einmal zu Hause. Er war irgendwo im Gebäude und bereitete die leeren Wohnungen für die Flüchtlinge vor, die seine Bekannten mitbringen würden. Bill hätte ihm gern geholfen – die körperliche Betätigung würde vielleicht den Trübsinn vertreiben, der schwer auf ihm lastete – aber jemand musste bei Nick bleiben. Und Bill fühlte sich für ihn verantwortlich.
    Es klingelte an der Tür.
    Merkwürdig, dachte er, als er sich aufmachte zu öffnen. Man brauchte einen Schlüssel, um nach oben zu kommen. Wer würde so weit kommen und dann schellen?
    Es erschreckte ihn etwas, die Frau draußen im Flur zu sehen.
    »Carol. Ich wusste nicht, dass du kommen würdest.«
    Ihr Anblick ließ seine Lethargie verfliegen.
    »Ich auch nicht. Glaeken hat mich hoch geschickt.«
    Er wusste augenblicklich, dass etwas nicht stimmte. Er sah sie genauer an und bemerkte, wie tief sich die Falten in ihrem Gesicht eingegraben hatten. Carol hatte immer jünger ausgesehen als sie tatsächlich war, aber heute sah man jedes ihrer Jahre.
    »Komm rein.« Er blickte in den Flur hinaus, als sie an ihm vorbeiging. »Wo ist Hank?«
    »Wer weiß das schon.«
    »Möchtest du darüber reden?«
    »Ja«, sagte sie, schüttelte dann aber hastig den Kopf. »Nein. Ich meine …« Sie ließ sich auf dem Soda nieder. »Ach Bill, er benimmt sich so seltsam. Ich weiß einfach nicht mehr, was ich tun oder sagen soll.«
    Sie erzählte ihm von der plötzlichen Veränderung in Hanks Verhalten, von den Hamsterkäufen, den Listen, seinem zwanghaften Verhalten.
    »Du bist offenkundig aufgebracht«, hörte er sich selbst sagen. »Hast du versucht, mit ihm darüber zu reden?«
    Ohne es zu merken, war er in seine alte priesterliche Rolle des Familientherapeuten verfallen. Er versuchte, sich davon zu distanzieren. Das hier war kein Mitglied seiner Gemeinde, das war Carol. Jemand, den er kannte. Nein, nicht nur kannte, sondern – jetzt konnte er es zugeben – seit Teenagertagen liebte. Es war albern, sich um emotionale Distanz zu bemühen, wenn es sie betraf. Er würde es sowieso nicht schaffen.
    »Natürlich habe ich das versucht. Aber es ist, als würde man gegen eine Wand reden. Was meinst du, hat er einen Nervenzusammenbruch?«
    Bill seufzte. »Ich weiß nicht, ob das das richtige Wort dafür ist. Er verhält sich ja nicht irrational – im Gegenteil, das, was er da tut, macht eine Menge Sinn, wenn man es vom Standpunkt der Selbsterhaltung aus betrachtet. Er hat Angst und steht unter starkem Stress, wie fast alle anderen auch.«
    Er spürte, wie die Depression wieder Besitz von ihm ergriff.
    »Das weiß ich. Und er hat nichts Schreckliches getan, er hat niemandem wehgetan. Er ist ein guter Mann. Aber er hat diesen irren Blick in den Augen.«
    »Liebst du ihn, Carol?«
    Die Worte waren ihm herausgerutscht und er wünschte augenblicklich, er könnte sie zurücknehmen. Er setzte an, ihr zu sagen, dass sie darauf nicht antworten müsse, dann wurde ihm klar, dass sie das ja wusste. Also ließ er die Frage stehen. Der Gedanke quälte ihn, seit er vor ein paar Monaten in die Stadt zurückgekommen war. Verdammt, er wollte es einfach wissen.
    »Ja. Gewissermaßen. Nicht so, wie ich Jim geliebt habe. Aber er ist ein guter Mann, zuvorkommend und nett – wenigstens war er das früher. Jetzt ist er nur noch … Ich weiß nicht.«
    »Warum hast du ihn geheiratet?«
    Er konnte gar nicht glauben, dass er solche Fragen stellte. Aber hier in dem dunkler werdenden Raum, wo Carol nur noch ein Umriss vor dem ersterbenden Licht war, hatte er das Gefühl, dass er es konnte. Dass er es sollte. Er versuchte nicht, das Licht einzuschalten. Das hätte die Atmosphäre zerstört, die durch das Dämmerlicht gefördert wurde.
    »Ich schätze, ich war einsam, Bill. Als ich wieder nach New York kam, kannte ich niemanden. Eigentlich wollte ich das auch so. Ich wollte neu anfangen. Ich wollte nicht wieder nach Monroe zurück und alte Bekanntschaften aufwärmen. Es

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