Widerspruch zwecklos oder Wie man eine polnische Mutter ueberlebt
mich daran zu erinnern, welche Gründe ich dafür angeführt habe, dass Natalie Ola Olsson anrufen soll.
»Nein, also weißt du …«, beginne ich.
»Was?«
»Es kommt vielleicht ein bisschen … verzweifelt rüber, wenn du ihn anrufst, das ist alles.«
Natalie legt den Hörer wieder auf.
»Meinst du?«, fragt Natalie. »Wahrscheinlich hast du recht.«
Zusammen mit ihrem enttäuschten Gesichtsausdruck bricht mir Natalies blindes Vertrauen fast das Herz.
»Nicht, weil du wirklich verzweifelt bist «, füge ich schnell hinzu. »Aber das wissen eben nur wir beide. Ich weiß es, und du weißt es, aber bei ihm könnte es falsch rüberkommen. Bestimmt trefft ihr euch bald auf irgendeinem Fest oder so, der Sommer ist ja noch lang. Dann ergibt sich von ganz allein was, und leichter geht es noch dazu.«
Ich lege die Hand auf Natalies Schulter und zitiere aus dem Gyllene-Tider -Song Lebe dein Leben :
»Es war auf der Party, ich hab dich entdeckt …«
»Du warst die Beste« , vervollständigt Natalie. »Warst fast perfekt.«
Dann lächelt sie ein bisschen traurig und stopft den Zettel mit Ola Olssons Nummer wieder in ihre Handtasche.
»Natalie, du bist nicht fast perfekt, du bist perfekt – und darum verdienst du auch nur das Beste.«
Ein ums andere Mal geht das kleine Glöckchen über der Ladentür, wenn die Leute rein- oder rausgehen.
»Komm, ich spendier dir ein Eis, das größte, das wir finden können!«, sage ich. »Und dann erzähl ich dir vom Papst und meiner verrückten polnischen Verwandtschaft.«
Abends gibt es Salat mit Huhn und Erbsen aus der Tiefkühltruhe. Mutter hat den Salat geerntet, den noch die Hippie-Kommune gepflanzt hat und der weiterhin wild im Garten wächst. Obwohl Mutter beteuert, dass sie den Salat sorgfältig gewaschen hat, vergeht mir der Appetit, als eine verirrte Schnecke auf einem meiner Salatblätter auftaucht und langsam, aber entschlossen die Flucht vom Teller antritt. Hungrig gehe ich schon um neun ins Bett. Und versuche mir immer noch einzureden, dass es nicht nötig war, Natalie von meiner ganz und gar unwichtigen Begegnung mit Ola Olsson in Vadstena zu erzählen.
8
Eines Abends fasse ich mir ein Herz und stelle Mutter zur Rede. Wir sind in der Küche, und sie ist dabei, Käse in kleine Stücke zu schneiden.
»Wie lange werden sie noch bleiben?«, frage ich.
Mutter hat noch keine Stelle für Sylwia gefunden, das Haus birst immer noch von Sylwias und Celestynas Anwesenheit und tonnenweisem Gepäck. Der Dachboden ist zu einem nach Zigaretten stinkenden, chaotischen Nest mit vollen Aschenbechern und über den Boden verstreuten Schokoriegelverpackungen geworden. Schwer zu glauben, dass Sylwia sich mit einer Scheuerbürste auskennen soll.
»Jetzt hab dich nicht so!«, sagt Mutter.
»Aber du bist nicht die ganze Zeit mit ihnen zusammen.« Ich rede leiser, damit sie mich nicht hören. »Sylwia hat angefangen, ihre Zigaretten in der Badewanne im Garten auszudrücken. Und alle meine Musikkassetten sind verschwunden, alle . Und mein Magnolienparfum auch.«
»Morgen hat sie doch wieder ein Bewerbungsgespräch. Diesmal wird es gut laufen, glaub mir. – Schneid bitte den Schimmel von dem Käse hier ab!«, sagt Mutter und gibt mir ein Messer.
Sorgfältig schnitze ich die grünlichblau verfärbten Ränder von einem alten Stück Käse. Seit Jahren versuche ich Mutterdavon zu überzeugen, dass es weder normal noch gesund ist, verschimmelte Lebensmittel zu essen, aber meine Proteste stoßen auf taube Ohren. Die immer gleiche Antwort ist: »Wenn man das Schimmlige wegschneidet, ist der Rest immer noch essbar.« Wenigstens das tun wir inzwischen.
»Und meine Zeitschriften sind auch verschwunden.«
»Wirf die Stücke hier rein!«, sagt Mutter.
Ohne groß darüber nachzudenken, werfe ich die schimmligen Käseränder in den großen Topf, den sie mir hinhält. Danach stellt sie den Topf wieder auf den Herd.
»Willst du das eklige Zeug etwa benutzen?«, frage ich entsetzt.
»Gekocht«, sagt Mutter. »Da ist das kein Problem. Das wird die Käsesauce für die Lasagne.«
»Aber Schimmel verschwindet doch nicht beim Kochen!«
Statt mir zu antworten, schüttet Mutter Milch in den Topf.
»Schimmel verschwindet nicht beim Kochen!«, sage ich noch einmal und jetzt hörbar hysterisch. »Schimmliger Käse ist kein schmutziges Handtuch, das man auskochen kann! Man kann ihn auch nicht sterilisieren wie ein Operationsbesteck!«
»Es ist guter Käse. Ich denke nicht daran, ihn
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