Widerspruch zwecklos oder Wie man eine polnische Mutter ueberlebt
und Celestyna sagte, sie wäre sowieso hundertmal lieber zu Hause als in diesem blöden kalten Land. Das war das offene Ende der Debatte. Jetzt stürzen Sylwia und ich durch die Eingangstür.
Evert ist um die fünfzig und hat raue, grobe Hände. Über die Lehne seines Stuhls hängt eine orange Helly-Hansen -Winterjacke,obwohl es mitten im Sommer ist. Trotz einiger fehlender Zähne macht er von allen bisherigen Kandidaten den nettesten Eindruck. Er fragt auch gleich, ob er uns was zu essen bestellen kann. Sylwia und ich teilen uns eine Pizza Vier Jahreszeiten, obwohl ich eigentlich nicht hungrig bin. Die ganze Nacht hatte ich Albträume von einer Armee weicher Schimmelmonster, die auf einer großen Welle Blasen werfenden gelben Käses ritten und dabei katholische Kirchenlieder sangen. Auf Polnisch.
»Raucht sie?«, fragt Evert vorsichtig.
Ich übersetze, und Sylwia antwortet mit einem heftigen Kopfschütteln.
»Ja. Aber sie hat beschlossen, damit aufzuhören«, sage ich.
»Ja, wie gesagt«, sagt Evert. »Der Hof ist groß. Und ich bin allein. Es gibt viel zu tun. Ich hab schon den einen oder anderen Polen – also Mann jetzt – dagehabt für die anderen Sachen, die auf einem Bauernhof anfallen. Ich weiß, dass der Pole fleißig ist.«
Er redet von uns wie von einer besonderen Spezies, einer besonders fleißigen Ameisenart.
»Wollt ihr Nachtisch?«, fragt Evert.
So wie Sylwia auf ihrem Stuhl herumrutscht, ist sie schon auf Entzug, also sage ich Nein danke und dass wir so bald wie möglich von uns hören lassen. Als wir aufstehen, um zu gehen, steht Evert auch auf und schüttelt uns die Hand. Ich merke, dass ihm an zwei Fingern das letzte Glied fehlt.
Celestyna gabeln wir vor der Tankstelle auf, die Leute von der Pizzeria haben sie verscheucht. Während wir in Richtung Zentrum gehen, erzählt Sylwia ihrer Tochter begeistert, dasssie endlich den Richtigen gefunden hat. Wie um den Tag noch mehr zu vergolden, verschwinden darauf die Wolken und die Sonne kommt heraus.
Am Marktplatz stürzen sich Sylwia und Celestyna in den Lindex -Laden, um Kleider zu kaufen. Schließlich verdient Sylwia bald Geld und hat im Prinzip gerade ihren dritten Mann gefunden.
Ich setze mich draußen auf eine Bank und genieße die Sonne. Wir wollen uns um eins mit Mutter treffen und mit ihr nach Hause fahren. Die wärmende Sonne scheint alle Probleme der Welt wegzuschmelzen. Ich bin echt erleichtert, dass wir Sylwia und Celestyna bald los sein werden. Nur Evert tut mir ein bisschen leid. Evert, der noch nicht weiß, dass Sylwia mit einer dreizehnjährigen Tochter und tonnenweise Gepäck einfallen wird.
Dann entdecke ich Ola Olsson, der sein Fahrrad über den Marktplatz schiebt. Mein Herz beginnt so heftig zu schlagen, dass es mir fast den Brustkorb sprengt. Und da entdeckt Ola Olsson mich. Auf seinem Gesicht breitet sich ein Lächeln aus, und er kommt zu mir her. Obwohl ich mich nicht bewege, spüre ich, dass ich an der Bank festklebe.
»Hallo, Alicja!«
»Ola«, sage ich. Und dann, keine Ahnung, warum: »Olsson.«
»Ola reicht«, sagt Ola.
»Danke«, sage ich und spüre meine Wangen glühen.
»Ich stör doch nicht? Ich meine, falls du betest oder so?«
Ich schüttle den Kopf.
Aber das hier ist falsch. Es ist Natalie, die unsterblich in Ola Olsson verliebt ist. Sie sollte ihn auf der Straße treffen.Wenn Natalie mich jetzt sehen könnte, würde sie mir nie verzeihen. Das hier ist die schlimmste Sorte Verrat an einer Freundin überhaupt. Man hat kein Interesse an dem Jungen, in den die Freundin unsterblich verliebt ist, und man zeigt auch keins.
»Wie geht’s eurer Putzfrau?«
»Gut!« Ich bin wie hypnotisiert von Ola Olssons blauen Augen. »Sie hat jetzt noch eine zusätzliche Stelle. Als Putzfrau. Bei Lindex . Nein, bei Simrishamn. Evert heißt der Mann. Also, sie putzen natürlich nicht zusammen. Sie putzt bei ihm . Bevor sie dann heiraten. Allerdings weiß er nichts davon. Noch nicht. Erst zieht nämlich die Tochter ein. Das weiß er auch noch nicht.«
Ich setze mich aufrecht und hoffe inständig, dass eine aufrechte Haltung zu einer verständlichen Art sich auszudrücken führt.
»Sie hatte schon einen Mann, ihren ersten, einen verrückten Koch. Auf einem Schiff. Unsere Putzfrau, nicht ihre Tochter. Die ist noch zu jung, um einen Mann zu haben. Danach hatte sie einen, der sie geschlagen hat, beide, also unsere Putzfrau und die Tochter. Der Mann jetzt, der zweite. Sonst hat niemand in der Familie geschlagen. Und bald
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