Widerspruch zwecklos oder Wie man eine polnische Mutter ueberlebt
werden sie heiraten. Unsere Putzfrau und Evert.«
Mein Hals ist schon ganz trocken vom Reden.
»Wie gesagt, es geht ihr gut.«
Ola Olsson sagt nichts.
»Alicja! Da bist du!«
Mutter ist mit ein paar Einkaufstüten in der Hand neben Ola Olsson aufgetaucht.
Die Situation ist blitzartig von »fast unter Kontrolle« zu»nichts wie weg hier« umgeschlagen. Ich kann meinen Kopf darauf verwetten, dass Mutter gleich etwas Unpassendes sagen wird!
»Und wer ist das ?«, fragt Mutter mit Blick auf Ola Olsson. »Hallo, ich bin Beata.«
»Meine Mutter«, sage ich.
»Ola«, sagt Ola Olsson, und sie geben sich die Hand.
»Olsson«, füge ich hinzu und überlege für Sekundenbruchteile, dass jetzt noch Zeit wäre, quer über den Marktplatz zu flüchten.
»Ein Freund meiner Tochter darf ich annehmen?«, fragt Mutter in ihrem feinsten Schwedisch, das klingt, als fände man sich plötzlich in einen Salon des achtzehnten Jahrhunderts versetzt.
»Wir gehen in dieselbe Schule«, sagt Ola Olsson.
»Österport«, sage ich blöderweise. »Er mag Pferde.«
Sie sehen mich beide an, aber nur Mutter hat auf einmal diesen misstrauischen Blick, der eine katastrophale Wendung unserer bisher erstaunlich harmlos verlaufenen Begegnung ankündigt. Ich beschließe vorsichtshalber, die Unterhaltung in möglichst harmlose Bahnen zu lenken.
»Was hast du gekauft?«, frage ich.
Mutter beginnt strahlend, in ihren Tüten zu wühlen.
»Drei Käse zu einem Spottpreis, nur weil heute das Verfallsdatum abläuft. Und eine Dose gelbe Farbe.«
Mein Magen schlägt Alarm: Käse und die Farbe Gelb sind bis auf Weiteres tabu.
Dann sagt Ola Olsson: »Ich wollte fragen, ob du nicht Lust hättest, dich mit mir zu treffen? Am Samstag. Wir könnten ins Starshine gehen oder so.«
»Auf Wiedersehn, wir müssen gehn«, sagt Mutter wie eine reimende Vorschullehrerin und packt mich am Arm.
Etwas verdutzt und dann enttäuscht steht Ola Olsson da, während Mutter mich in Richtung Hafen dirigiert.
»Was soll das?«, frage ich.
»Männern, die Pferde mögen, kann man nicht trauen«, ist Mutters Antwort.
»Was?«
»Wo sind Sylwia und Celestyna?«
Ich hätte gern erfahren, was Männer, die Pferde mögen, verdächtig macht und warum Ola Olsson so schnell auf Mutters Endlosliste von »Menschen, denen man nicht trauen kann« gelandet ist. Vielleicht ein andermal.
# 240 Akzeptiere, dass man nachfolgenden Menschen nicht trauen kann: männlichen Frauenärzten, Frauen, die mit Vornamen Patrycja heißen, allen Politikern, dem Personal auf Polenfähren (auch allen!), Russen, Tschechen, katholischen Priestern, der Zeitansage, Automechanikern in Ingelstorp und jetzt also auch noch Männern, die Pferde mögen.
Die Gründe, weshalb man auf Mutters schwarzer Liste landet, sind in der Regel beliebig oder im besten Fall diffus.
Kurz darauf kommt Sylwia aus dem Lindex -Laden. Nur Celestyna will noch nicht nach Hause, sondern in Ystad bleiben und dann den Bus nach Vallerup nehmen. Die Unterhaltung kommt nach einem kurzen Wortwechsel sofort auf Sylwias Arbeitgeber und künftigen Mann, Evert. Mutter scheint genauso erleichtert wie ich und kündigt an, dass wir das feiern werden. Sowieso seien wir heute Abendeine Person mehr am Tisch. Er werde nämlich nach Hause kommen.
Er . Auch wenn das »Er« nicht am Satzanfang gestanden hätte, hätte man an ihrem Tonfall gemerkt, dass es sich um einen »Er« mit großem E handeln muss. Der heilige Sohnemann. Er , der auf dem Wasser gehen und Wasser in Wodka verwandeln kann . Der einzige Sohn meiner Eltern und mein großer Bruder: Rafał. Falls ihr euch fragt, warum dieses höchste Wesen, dieser tadellose Götterknabe bisher noch nicht aufgetaucht ist: Die Antwort lautet Indien.
Ein paar Stunden später ist Mutter so aufgekratzt, als wäre Elvis von den Toten auferstanden, um ausgerechnet in Vallerup ein Konzert zu geben. Sie hat sogar den Tisch im Wohnzimmer freigeräumt und ihn mit dem Sonntagsgeschirr gedeckt. Ich soll das Haus durchsaugen, das Badezimmer putzen und den Rasen mähen, bevor Rafał kommt.
Ich bin gerade dabei, die Kippen aus der Gartenbadewanne zu klauben, als mich plötzlich jemand von hinten anfällt: ein stinkender, schmutziger Landstreicher, der mich so fest packt, dass ich mich nicht mehr bewegen kann. Dann beginnt der Penner an mir zu schnuppern.
»Du riechst nach Urin«, sagt er. »Hast du dir das Gesicht mit Urin gewaschen?«
»Nein!«, schreie ich. » Du stinkst, du Ekel!«
Der Landstreicher lässt einen
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