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Widerspruch zwecklos oder Wie man eine polnische Mutter ueberlebt

Widerspruch zwecklos oder Wie man eine polnische Mutter ueberlebt

Titel: Widerspruch zwecklos oder Wie man eine polnische Mutter ueberlebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emmy Abrahamson
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scheint alles Mögliche im Gras zu liegen, darum lege ich das Fahrrad an den Wegrand und gehe hin, um mir die Sache genauer anzusehen. Unter dem Baum ist das Gras platt getreten, und überall liegen Einwickelpapiere von Schokoriegeln. Auch ein Klappstuhl liegt da, der  mir bekannt vorkommt. Dann entdecke ich am Rand des Wäldchens ein silbernes Fahrrad.
    Hierher kommt Celestyna also, um sich mit Schokoriegeln zu trösten und über Polen zu weinen. Von der großen Eichehat man eine tolle Aussicht auf den weißen Pferdehof und  über die Hügel von Hammar. Die arme Kleine! Was  hilft  die schönste Aussicht gegen Einsamkeit, das Gefühl, nicht dazuzugehören, und eine Ähnlichkeit mit Miss Piggy?
    Aber wenigstens habe ich sie gefunden. Ich will mir schon zu meinem Spürsinn gratulieren, als in schneller Folge gleich mehrere unerklärliche Dinge geschehen.
    Erst höre ich, dass sich auf dem Weg, den ich gekommen bin, ein Auto nähert. Dann drehe ich mich um und sehe, dass es ein Polizeiauto ist. Da Polizeiautos auf dem platten Land eine Seltenheit sind, beobachte ich mit großem Interesse, wohin das Fahrzeug wohl unterwegs ist. Komischerweise hält es ungefähr dreißig Meter von mir und der Eiche entfernt an. Dann steigt eine Polizistin aus und spricht ins Megafon.
    »BLEIB GENAU DA, WO DU BIST!«
    Wie spannend! Vielleicht lerne ich gleich was für meine künftige Karriere als Polizistin. Ich halte nach dem Verbrecher Ausschau, dem ich unwissentlich so nahe gekommen bin. Etwas weiter entfernt, schon hinter dem Pferdehof, sehe ich einen weiß gekleideten Mann mit einem irischen Setter. Den Verdächtigen. Heute werde ich beim Abendessen viel zu erzählen haben.
    Ein anderer Polizist kommt jetzt langsam näher. Solange er auf dem Kiesweg geht, staubt es unter seinen Füßen. Sein Blick ist fest und hart.
    »RÜHR DICH NICHT VON DER STELLE!«, dröhnt es aus dem Megafon.
    Es muss sich um einen gefährlichen Verbrecher handeln.Ich schaue wieder zu dem Mann. Er trägt ein leuchtend weißes Hemd und ebenso weiße Shorts. Ein typischer Gangster mit einem Zufluchtsort in unserer Feriengegend. Hierher zieht er sich für ein paar Wochen im Jahr zurück, sprengt seinen Rasen, obwohl es ein Rasensprengverbot gibt, und nervt die Einheimischen mit der Frage, wie der Sommer wird, als wäre in die Menschen von Skåne ein Barometer eingebaut.
    Um die Polizei bei ihrer wichtigen Arbeit nicht zu behindern, beginne ich mich vorsichtig auf mein Fahrrad zuzubewegen. Ich zeige dem Polizisten den gereckten Daumen, damit er weiß, dass ich auf ihrer Seite bin und ihnen nicht im Weg sein werde.
    »RÜHR DICH NICHT VON DER STELLE!«, wiederholt die Polizistin.
    Jetzt bleibe ich stehen. Die Sache wird mir zu unübersichtlich. Ich will nur noch so schnell wie möglich zum Strand. Die Polizei von Ystad soll bitte ohne mich Cowboy und Indianer spielen.
    »ALICJA, BLEIB, WO DU BIST!«, dröhnt das Megafon.
    Entschuldigung?
    Was haben sie gesagt?
    Alicja? Alicja! Sie haben doch wohl nicht meinen Namen gesagt? MEINEN Namen?
    Mit einem Schlag wird mir alles klar, und mir gefriert das Blut in den Adern. Die Polizei ist hinter mir her! Aber warum?
    »Aber …«, sage ich leise.
    Dann hebe ich die Hände hoch. Der Polizist kommt langsam auf mich zu. Im Geist versuche ich alle Verbrechendurchzugehen, die ich in letzter Zeit begangen habe, aber das Einzige, woran ich mich erinnern kann, ist der »Bauerndepp«, zu dem ich mich habe hinreißen lassen. Wenn es das war, muss es zwischen der Polizei und den Bauern in Skåne Beziehungen geben, von denen wir Normalsterblichen nichts ahnen.
    Da höre ich Schritte hinter mir, sie kommen aus der Richtung des Pferdehofs. Mit immer noch erhobenen Händen drehe ich vorsichtig den Kopf. Hinter mir steht Ola Olsson und hält etwas Dunkles, Pelziges in den Händen. Wie kommt ER hierher?
    »Ola Olsson!«, rufe ich. Er wird mich retten und den Polizisten sagen, dass das hier ein großes Missverständnis sein muss.
    Aber Ola Olsson sagt nichts, sondern sieht mich nur mit einem Gesichtsausdruck an, den ich nicht deuten kann. Die ganze Wärme, die er sonst ausstrahlt, ist weg. Im Übrigen hatte ich ganz vergessen, wie herzzerreißend gut er aussieht.
    Jetzt ist der Polizist nur noch ein paar Meter von mir entfernt. Ich sehe von Ola Olsson zu ihm.
    »Aber was hab ich denn getan?«, frage ich. Erst als ich das Zittern in meiner Stimme höre und den Kloß in meinem Hals spüre, merke ich, dass mir die Tränen in die Augen

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