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Widerspruch zwecklos oder Wie man eine polnische Mutter ueberlebt

Widerspruch zwecklos oder Wie man eine polnische Mutter ueberlebt

Titel: Widerspruch zwecklos oder Wie man eine polnische Mutter ueberlebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emmy Abrahamson
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dann alle Blumen außen um sein Fenster getackert. Aber seine Mutter, die dusselige Kuh, hat sie schon am selben Tag wieder weggerissen.«
    »Und wie oft bist du zu Olas Haus gegangen?«, fragt Mutter.
    Celestyna zuckt mit den Achseln und schaut zu Boden.
    »Celestyna!«
    »Na schön. Vielleicht zehn, zwanzig Mal. Als ihr in Polen wart.«
    »Zehn, zwanzig Mal« , wiederhole ich und spüre, wie mir alle Farbe aus dem Gesicht weicht.
    Und die ganze Zeit musste Ola Olsson glauben, dass ich das bin. Dass ich es war, die ihm gefolgt ist und das Blumenbeet seiner Mutter umgepflügt hat.
    »Es waren nicht nur Blumen«, sagt Celestyna plötzlich ein bisschen leiser.
    »Nein? Was hast du ihm noch gebracht?«
    »Tiere.«
    »Was?«
    »Tiere. Tiere, die ich gefunden habe. Tote Vögel, die manchmal unter dem Baum lagen, unter dem ich gesessen bin, wenn ich das Haus beobachtet habe. Oder welche, die überfahren worden sind. Ich hab sie vor sein Fenster gelegt und Kerzen drumherum gestellt. Es hat unheimlich schön ausgesehen.«
    Als ich das Gesicht in den Händen vergraben will, sehe ich, dass sie immer noch voller Schmutz und Blut sind.
    »Und der junge Dachs?«, frage ich.
    Celestyna lächelt stolz.
    »Den hab ich gestern auf der Straße gefunden. Dann bin ich ins Haus geschlichen und hab ihn auf sein Bett gelegt. Da hatten sie schon angefangen, die Haustür abzuschließen, darum bin ich durchs Fenster gestiegen.«
    »Und jetzt glaubst du, dass ihr … zusammen seid?«, frage ich.
    »Wir werden zusammen sein! Wir werden zusammen sein!«, ruft Celestyna. »Wir wären schon zusammen, wenn du nicht gekommen wärst und alles kaputt gemacht hättest! Er hat die Geschenke gemocht, das weiß ich! Er mag mich! Noch nie hat mich jemand gemocht, noch nie!« CelestynasGesicht ist jetzt leuchtend hellrot. »Niemand mag mich! Nicht mal meine Mutter und mein Vater! Ich hasse alles, die ganze Welt! Ich hasse Schweden! Ich bin so allein!«
    Dann muss sie weinen.
    »Ich (schnief) liebe (schnief) ihn (schnief) so sehr!«, fährt sie fort. Dazu schmeißt sie sich über den Tisch und kriegt einen dramatischen Heulkrampf. Ihre Schultern zucken.
    Der Polizist klopft mit seinem Bleistift auf den Tisch und sagt: »Beata, könntest du bitte übersetzen?«
    »Ja, natürlich. Die arme kleine Celestyna denkt, es sei eine schwedische Sitte, einander Blumen zu pflücken. Wie ihr das an Mittsommer ja auch macht. Und genauso mit Tieren, denkt sie. Sie hat es nicht böse gemeint, und jetzt ist sie ganz traurig, dass sie die schwedischen Sitten so missverstanden hat. Hab ich schon erwähnt, dass ihre Mutter sie ein paarmal hat fallen lassen, als sie noch klein war?«
    Celestyna wird nicht verhaftet und eingesperrt oder für den Rest ihres Lebens in eine geschlossene Anstalt gesteckt. Stattdessen darf Mutter 3000 Kronen Schadenersatz zahlen, die Sylwia hoch und heilig zurückzuzahlen verspricht, sobald sie ihren ersten Lohn von Evert auf dem Konto hat.
    Auf dem Weg zurück nach Vallerup, im Auto, sagt niemand ein Wort.

13
    Das Deprimierendste am Sommer sind die Hundstage. Mit einem Schlag wird alles klebrig, schwer, eklig und falsch. Überall sind plötzlich Spinnen, Monsterbrennnesseln überwuchern den Garten, die Fliegen surren Tag und Nacht, und über alles zieht sich eine zähe Haut. Lebensmittel verderben und verschimmeln schneller, als man sie aus der Packung nehmen kann. Mutter hält die Hundstage für eine Erfindung der Schweden, die einen Grund gesucht haben, noch mehr Essen wegzuwerfen, aber ich spüre sie, äußerlich und innerlich.
    »Kann ich dir was bringen?«, fragt Mutter.
    Ohne den Blick von der Zimmerdecke zu wenden, schüttle ich den Kopf. Dann höre ich, wie sie seufzt, bevor sie die Tür zu meinem Zimmer zumacht, und widme mich wieder der Betrachtung der sich vom Untergrund abschälenden Dispersionsfarbe über meinem Bett. Ich finde, dass die sich lösende Farbe ein genaues Sinnbild meines Lebens ist. Es gibt nichts, worauf ich mich noch freuen würde, ich warte nur noch darauf, in die Tiefe zu stürzen.
    Ein paar Minuten später höre ich Mutter wieder die Treppe heraufkommen.
    »Ich hab dir Goggelmoggel gemacht«, sagt sie.
    Ich setze mich im Bett auf und nehme die Tasse mit derklebrigen Melange aus Eigelb, Kakao und Zucker dankbar entgegen. Eigentlich ist es nett, wie ein Kind behandelt zu werden. Vielleicht eifere ich dem Bauern Anders in Vallerup nach, der mit über fünfzig immer noch bei seinen Eltern lebt.
    »Sylwia und Celestyna

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