Widerspruch zwecklos oder Wie man eine polnische Mutter ueberlebt
steigen.
Und plötzlich wirft mir Ola Olsson das dunkle, pelzige Etwas in seinen Händen zu. Ich fange es auf und sehe zu meinem Erschrecken, dass ich einen toten, blutigen jungen Dachs in den Händen halte. Fliegen kommen und summen um eine große Wunde auf seinem Rücken.
Ola Olsson wendet sich dem Polizisten zu.
»Ja, das ist sie«, sagt er mit kalter Stimme.
Der Polizist steht jetzt neben mir.
Dann werde ich festgenommen und zum Polizeiauto geführt.
12
Meine Verbrechen lauten: Diebstahl, Sachbeschädigung, Belästigung, Verfolgung und Tierquälerei.
»Sag mal, bist du nicht Beatas Tochter?«, fragt die Frau an der Anmeldung, als wir auf der Polizeiwache in Ystad ankommen. Es ist dieselbe wie am letzten Schultag vor den Ferien. Gleich wird sie sagen: »Die mit dem Pickelproblem, über das wir nicht reden sollen, stimmt’s?« und meine Demütigung auf die Spitze treiben.
Ich nicke stumm, weil ich außer einem großen Schluchzen sowieso nichts zustande bringen würde. Meine Augen sind rot und geschwollen, ich habe die ganze Fahrt über geheult.
»Das kriegen wir schon hin«, sagt die Frau und klingt dabei so nett, dass ich gleich wieder heulen könnte. »Warte hier, dann rufen wir deine Mutter oder deinen Vater an!«
Ich werde in einen netten Warteraum mit einem blau-weiß gestreiften Sofa geführt. Auf dem Tisch davor liegen alte Zeitschriften wie beim Arzt, dazwischen steht eine kleine Topfpflanze mit lila Blüten. Vielleicht wäre es psychologisch einfacher, wenn sie mich in einem dunklen Keller an die Wand gekettet hätten, statt mir auch noch Saft und eineZimtschnecke hinzustellen und mich zu fragen, ob ich einen Pulli ausgeliehen haben will.
Ich wollte nie der Ach-ich-tu-mir-ja-so-leid-Typ sein, aber gerade ist es, als entschwänden alle diesbezüglichen Vorsätze durch die gardinengeschmückten Fenster der Ystader Polizei. Ich bade in Selbstmitleid, dass es wehtut. Ich tue mir so leid, dass ich mir die Engel im Himmel nur mit hängenden Flügeln und bittere Tränen über mein trauriges Los vergießend vorstellen kann. In diesem Augenblick wiegt mein Selbstmitleid schwerer als alles Mitleid der Welt zusammen, egal ob mit den armen Menschen auf den Gefangenenlisten von Amnesty International, mit den kleinen Robben und ihren Müttern in Kanada oder mit Marie, damals, als ein Vertretungslehrer sie fragte, aus welchem Teil Chinas sie denn käme. Man wird mich unschuldig verurteilen wegen eines Verbrechens, das ich nicht begangen habe. Ich werde Schwedens Antwort auf Nelson Mandela sein, oder wer immer es war, den sie in Südafrika unschuldig verurteilt und für Jahrzehnte ins Gefängnis gesteckt haben. Ich bin so müde, den Tränen nahe und in den Grundfesten erschüttert, dass ich nur noch unter eine Decke kriechen und nie wieder darunter vorkommen möchte. Das Leben ist mir so verleidet, dass ich nur die halbe Zimtschnecke esse und nicht mal durch die Modezeitschriften blättere.
Eine halbe Stunde später höre ich Mutter vorne bei der Anmeldung Spektakel machen, dass sie mich auf der Stelle gehen lassen sollen. Sie ist mit Sylwia gekommen und mit Celestyna, die meine rote Kapuzenjacke trägt. Während Sylwia auf einem der Stühle bei der Anmeldung warten muss, werden Mutter, Celestyna und ich von einem älteren, glatzköpfigen Polizisten in den Verhörraum geführt.
Obwohl ich schon ein paarmal einen Blick in den Verhörraum werfen konnte, wenn Mutter dort gedolmetscht hat, ist es jetzt das erste Mal, dass ich ihn betrete. Der Unterschied zu dem netten Warteraum ist, dass es hier kein Fenster gibt und der Raum sehr sparsam eingerichtet ist. Der Polizist gibt Celestyna und mir zu verstehen, dass wir uns ihm gegenüber an den einzigen Tisch setzen sollen. Mutter darf an der Stirnseite Platz nehmen. Die Stühle aus Kunststoff sind unbequem und zwingen einen, leicht nach vorne geneigt zu sitzen. Trotzdem bin ich enttäuscht, dass der Raum kein großes Spiegelglasfenster hat, durch das man vom Nebenzimmer hereinsehen kann wie in amerikanischen Filmen.
»Also, Beata, was ist eigentlich passiert?«, fragt der Polizist, der Mutter also kennt.
»Es ist alles nur ein großes Missverständnis«, sagt Mutter.
Der Polizist seufzt, schaltet das Aufnahmegerät auf dem Tisch ein und nennt die Uhrzeit, das Datum und die Namen aller, die in dem Raum anwesend sind. Er legt sogar einen Notizblock vor sich hin und schreibt etwas auf.
»Wenn wir bitte vorne anfangen könnten«, sagt er.
»Celestyna, sag, was
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