Widerspruch zwecklos oder Wie man eine polnische Mutter ueberlebt
du mir im Auto erzählt hast!«, sagt Mutter auf Polnisch zu Celestyna.
Aber Celestyna verschränkt nur trotzig die Arme und macht ein Gesicht, als hätte sie in eine Zitrone gebissen.
»Celestyna, wenn du nicht sofort singst wie ein Kanarienvögelchen, kriegst du zu Hause eine Abreibung, dass du eine Woche nicht auf deinem Hintern sitzen kannst!«
Mit einem Lächeln erklärt Mutter auf Schwedisch: »Sie ist ein bisschen schüchtern.« Dann wendet sie sich wieder Celestyna zu.
»Celestyna, du hast genau eine Sekunde Zeit. Wann hast du Ola zum ersten Mal gesehen?«
Celestyna verdreht die Augen, aber sie beginnt endlich zu reden.
»Damals, als wir wegen dem Papst nach Dings gefahren sind. Und dann in Ystad auf dem Marktplatz. Als er mit … (Celestyna wirft mir einen finsteren Blick zu) … Alicja geredet hat.«
Plötzlich erinnere ich mich daran, wie Sylwia sagte, Celestyna wolle noch in Ystad bleiben und dann den Bus nach Hause nehmen. Gleich nachdem ich Ola Olsson zufällig auf dem Marktplatz getroffen hatte, war das gewesen.
»Du bist Ola gefolgt?«, bricht es aus mir heraus. »Aber warum? Und wie?«
»Ich hab mir auf dem Marktplatz ein Fahrrad genommen«, sagt Celestyna offensichtlich vollkommen unberührt davon, dass genau solche Sachen die Polen in Verruf gebracht haben. »Irgendein dummer Tourist hatte es unverschlossen da stehen lassen.«
»Du hast ein Fahrrad gestohlen?«, sage ich.
»Was hätte ich denn sonst tun sollen?«, zischt Celestyna. »Er wäre doch verschwunden, und ich hätte nicht mal gewusst, wo er wohnt! Ich musste zwölf Kilometer radeln – zwölf Kilometer , bis wir bei ihrem Hof waren!«
Wenn man weiß, wie verhasst Celestyna jede Art von Bewegung ist, könnte man sie für die Tour de France an Ola Olssons Hinterrad geradezu bewundern.
»Aber warum wolltest du überhaupt wissen, wo er wohnt?«, fahre ich fort.
»Bist du blöd, oder was?«, sagt Celestyna. »Kapierst du gar nichts?«
»Ob ICH blöd bin?«, sage ich.
»Celestyna, wenn du meine Tochter noch einmal blöd nennst, kriegst du eine Abreibung, dass du für den Rest deines Lebens ein Sitzkissen brauchst!«, faucht Mutter.
»Entschuldige, aber sie kapiert wirklich nichts«, sagt Celestyna. » Ich bin nämlich die, die er mag.«
»Du?« , wiederhole ich, weil ich gar nicht glauben kann, was ich da höre. Und trotzdem spüre ich das Wölkchen Unruhe, das sich in mir zusammenbraut. Hat Celestyna womöglich recht?
»Hast du nicht seinen Blick gesehen, als wir uns das erste Mal getroffen haben?«, fragt Celestyna. »Wie er mich angeschaut hat? Er hat auf dem Marktplatz nur mit dir geredet, weil er mich wiedersehen wollte. Und jetzt sind wir zusammen, nur dass du’s weißt.«
Ich bekomme kein Wort mehr heraus. Der Polizist mit der Glatze räuspert sich. Mutter soll endlich übersetzen, heißt das.
»Also es war so«, beginnt Mutter auf Schwedisch. »Die arme Celestyna ist eine liebe Verwandte, die zufällig gerade bei uns zu Besuch ist, nur für ein paar Wochen. Sie ist leider nicht ganz richtig im Kopf, weil ihre Mutter sie nicht gestillt hat, und als sie ungefähr ein Jahr alt war, hat sie sie auch noch fallen lassen. Sie dachte, sie kennt diesen Ola aus Polen, und wollte ihn nur besuchen, und was die Fahrräder auf dem Marktplatz betrifft, denkt sie, die seien für die Touristen da und überhaupt für alle. Nur darum hat sie eins genommen, ohne vorher zu fragen.«
»Mutter!«, sage ich entsetzt.
»Alicja!«, warnt sie mich.
»Sie glaubt, da steht die Sonderanfertigung eines Cannondale -Rads im Wert von mehreren Zehntausend Kronen, damit Touristen oder wer auch immer gerade vorbeikommt es sich kostenlos leihen können?«, fragt der Polizist.
Mutter streicht Celestyna wie einer verwirrten Fünfjährigen liebevoll übers Haar und nickt.
»Die arme Kleine!«, murmelt sie.
»Und was ist dann passiert? Als sie das Fahrrad genommen hat und dem Jungen gefolgt ist?«, fragt der Polizist und kritzelt etwas auf seinen Notizblock.
»Celestyna, was ist dann passiert?«
Celestyna lächelt und wird ein bisschen rot.
»Als ich wusste, wo er wohnt, hab ich ein paar Tage lang nur das Haus beobachtet. Dann hab ich angefangen, ihm Geschenke zu machen«, sagt sie. »Blumen und so.«
»Die Polizei sagt, das ganze Blumenbeet von Olas Mutter ist wie umgepflügt«, sagt Mutter.
»Ihre Blumen waren sowieso nicht so schön«, sagt Celestyna. »Ich wollte ihm halt eine Freude machen. Mit dem Klammerhefter aus Alicjas Zimmer hab ich
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