Widerstand zwecklos - Der Versuchung ergeben (German Edition)
ihrem Sieg auf die Sprünge zu helfen. Sie ließ sich während des Laufens absichtlich zurückfallen und rannte, als John um die erste Ecke bog, zurück zur Auffahrt. Dort sprang sie in die schwarze Limousine ihres Vaters und jagte quer durch den Garten, über den frisch gemähten Rasen, wieder hinter ihrem Bruder her.
Von dem Getöse hinter ihm verwirrt, drehte John sich im Laufen um und blieb dann abrupt auf der Stelle stehen, als er zusah, wie Liz das gesamte Gelände rund ums Haus durchpflügte. Dabei rammte sie unter anderem den Springbrunnen und riss ihn nieder, weil sie dem Rosenbeet auswich, das ihre Mutter über alles liebte. Nachdem sie endlich den Wagen unter Kontrolle bekam, schoss sie mit halsbrecherischer Geschwindigkeit an ihrem entsetzten Bruder vorbei und dem vereinbarten Ziel entgegen. Seinen total entgeisterten Gesichtsausdruck würde sie wohl ihren Lebtag nicht mehr vergessen.
Jedenfalls gewann sie an dem Tag das Rennen und den Wetteinsatz, auch wenn die Freude darüber nur sehr kurz anhielt. Denn als ihre Eltern sahen, was sie angerichtet hatte, bekam sie erst von ihrem Vater eine saftige Standpauke zu hören, bevor ihre Mutter ihr die Leviten las. Zum krönenden Abschluss bekam sie einen zweimonatigen Hausarrest aufgebrummt.
Das war die schlimmste Strafe: Stubenarrest. Nichts hasste Liz so sehr, wie einen Zwangsaufenthalt in ihrem Zimmer. Es half ihr auch nicht wirklich, dass John seine Aktivitäten im Freien auf ein Minimum einschränkte, um die angesetzte Strafe mit ihr zu teilen. So oft es ihm möglich war, leistete er ihr Gesellschaft. Einen besseren Beweis für Geschwisterliebe konnte es nicht geben.
Doch das war die Vergangenheit. Die enge Beziehung zu ihrem Bruder existierte nicht mehr. Und das lag ausnahmslos an Liz. Es schien so, als gäbe es für sie keinen Weg zurück.
Sie selbst nahm ja aus gutem Grund in den letzten Jahren immer mehr Abstand von John und ihrem Vater und beschränkte den Kontakt zu ihnen auf das Nötigste. Sie waren alles, was ihr geblieben war. Niemals würde sie zulassen, dass man ihnen wegen ihr Schaden zufügte, dafür liebte sie ihre Familie viel zu sehr.
Liz lächelte. Aushilfsjobs? Das war dann wohl doch ein Irrtum. Den aufzuklären, hatte sie nicht vor.
Zum dritten Mal an diesem Abend wanderten Liz’ Gedanken ungewollt in die Vergangenheit. Es schien eine Ewigkeit her zu sein, dass sie nach ihrem Highschoolabschluss ein College mit Ausrichtung auf die internationale Wirtschaft besuchte, weil ihr Vater immer wieder betonte, ihre Mutter hätte es sich so gewünscht. Ohne es zu wissen, legte er mit seinen immer wiederkehrenden Äußerungen den berühmten Finger auf einen wunden Punkt. Und Liz fügte sich.
Sie hasste die Zeit auf dem College. Das Lernen fiel ihr nicht schwer, ganz im Gegenteil. Sie schloss sogar mit Auszeichnung ab. Doch Liz war sich bis zum Abschluss nicht sicher, ob sie das College nur aus schlechtem Gewissen durchzog oder ob es ihr freier Wille war.
Im Jahr nach ihrem Collegeabschluss verdiente Liz sich ihren Lebensunterhalt mit diversen Gelegenheitsjobs, was weder den Zuspruch ihres Vaters, noch den ihres Bruders fand. Eine Tochter aus gutem Hause, mit einem hervorragenden Collegeabschluss, konnte unmöglich als Kellnerin oder Barfrau arbeiten. Das war keineswegs standesgemäß. Doch genau das war Liz zu dem Zeitpunkt vollkommen gleichgültig. Sie wollte das schlechte Gewissen, das sie dazu brachte, Dinge zu tun, die sie nicht wollte, ein für alle Mal loswerden. Und das ging ihrer Meinung nach nur, wenn sie vollkommen neue Wege beschritt. So kam es dazu, dass Liz mit zweiundzwanzig Jahren eine recht ungewöhnliche und vor allem unplanmäßige Karriere startete.
So, wie die Dinge inzwischen lagen, war es wirklich besser, wenn keiner aus ihrer Familie wusste, was sie tat. Wie hieß doch dieses Sprichwort gleich noch? Ach ja: „Selig schlafen die Unwissenden“ oder so ähnlich. Denn seit drei Jahren war sie mehr als nur Harold Gibsons Tochter und John Gibsons Schwester.
Wollte sie nicht riskieren, dass einer von ihnen in Gefahr geriet, musste sie für sich bleiben und den Kontakt auf ein Minimum beschränken. Die Laufbahn, die Liz vor Jahren einschlug, stand zwischen ihr und dem Rest ihrer Familie, was eine liebevolle Vereinigung unmöglich machte.
Liz wandte sich um, lehnte sich mit dem Rücken gegen das Geländer und sah in den hell erleuchteten Saal hinein. Ihre Augen blieben für eine Weile an ihrem Vater haften und wanderten
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