Wie alles begann ... Die Geschichte eines Coming-Out (German Edition)
hat mich gepackt und mich angebrüllt. Sagte, ich wäre nicht in der Lage gewesen, dich zu einem Mann zu erziehen. Einem richtigen Mann, wie er es wäre. Dann …“, ihre Stimme brach. Flüsternd sprach sie weiter. „Er hat mein Kleid zerrissen, ist über mich hergefallen wie ein Tier. Seine Fahne hat mir die Luft zum Atmen genommen!“
Sie sah mich an. Ich wusste, mein Gesicht zeigte Entsetzen. Sie hingegen wirkte wie taub. Sie weinte nicht.
„Bleib hier. Zeig ihn an, lass dich scheiden. Egal was, ich helfe dir.“
„Danke. Ich habe gehofft, dass ich hier bleiben kann. Auch wenn wir in den letzten Jahren kaum Kontakt hatten …“
„Natürlich! Warum hast du nicht früher was gesagt? Dass er so grausam zu dir ist, hätte ich nie gedacht, auch wenn er mich verachtet.“
„Er verachtet dich nicht. Er kann es nur nicht akzeptieren. Mich stört es nicht, auch wenn ich es in seinem Beisein nie zugeben konnte.“
Ich lächelte zaghaft.
„Niklas, du bist mein Sohn. Du bist gut so, wie du bist. Und außerdem muss ich sagen, du hast dich ganz schön gemacht. Ich bin stolz auf dich.“ Ernst sah sie mich an.
„Naja, so viel weißt du ja nicht von mir, also übertreib mal nicht. Ich habe kein Gästebett, aber das regeln wir morgen. Ich gebe dir Decken, dann kannst du auf dem Sofa schlafen. Morgen kaufen wir dann ein Bett, das kriegen wir schon hin.“
„Ich übertreibe nicht. Dachtest du, ich hätte kein Auge auf dich? Ich kenne deine Website, kenne die Bilder, die du machst. Ich darf zurecht stolz sein! Und das Sofa ist völlig in Ordnung.“
Blinzelnd sah ich sie an. Sie kannte die Bilder? Naja, wenn sie sich nicht daran störte … trotzdem band ich ihr nicht auf die Nase, was im Studio manchmal abging. Es war beruhigend, dass sie meine Arbeit gut fand. Seufzend stand ich auf und ging ihr Decke und ein Kopfkissen holen. Anschließend zeigte ich ihr, wo Küche und Bad zu finden waren. Die Müdigkeit holte mich schlagartig ein. Sie war mir nicht böse, dass ich ihr eine gute Nacht wünschte und anschließend wie ein Stein ins Bett fiel.
Ich schließ unruhig. Träumte wirres Zeug. Entsprechend gerädert stand ich am folgenden Morgen auf. Als ich aus dem Schlafzimmer kam, hörte ich meine Mutter singen. Erstaunt folgte ich dem Klang und fand sie in der Küche. Sie wuselte umher, als sei es nie anders gewesen.
„Guten Morgen, mein Sohn!“, trällerte sie.
„Guten Morgen“, entgegnete ich verwirrt.
Sie hatte den Frühstückstisch gedeckt und sogar schon Brötchen besorgt.
„Was ist denn mit dir passiert?“
„Nichts, oder alles. Wie man es nimmt“, sagte sie und setzte sich an den Tisch. Ich gesellte mich zu ihr.
„Hier her zu kommen war die beste Entscheidung, die ich fällen konnte. Ich fühle mich, als hätte ich mich aus einengenden Ketten befreit. Ganz so, als wäre ich jetzt aus einem Panzer gekrabbelt, der mich all die Jahre eingeengt hat und der mir die Luft zum Atmen, zum Leben nahm.“
„Hm, das kann ich nachvollziehen. Was glaubst du, wie gut es mir getan hat, bei Eva auf so viel Verständnis zu stoßen?“
„Das rechne ich ihr hoch an. Ich werde später zu ihr fahren – es wird Zeit für ein richtiges Gespräch.“
„Wie du willst. Aber, wenn du bleibst, stell dich bitte schon mal darauf ein, dass ich auch Besuch bekomme …“
„Keine Sorge. Damit kann ich leben. Es ist deine Wohnung, dein Zuhause und dein Ort um glücklich zu sein. Das mache ich dir nicht streitig. Ich werde mir etwas eigenes suchen.“
„Aha.“ Mehr fiel mir dazu nicht ein. Was hätte ich auch sagen sollen? Es war meine Mutter und ihr Ratschläge zu geben, kam mir falsch vor.
Als sie sich zwei Stunden später auf den Weg machte, um Eva zu besuchen, gab sie sich mit Ric die Klinke in die Hand. Anerkennend nickte sie mir zu – Ric traf wohl ihren Geschmack. Der sah mich stirnrunzelnd an, als die ihm unbekannte Frau meine Wohnung verließ.
„Meine Mama“, klärte ich ihn auf.
„Oh.“
„Keine Sorge, sie ist erstens im Bilde und zweitens wohnt sie jetzt eine Zeit lang hier“, erklärte ich, als er reinkam und die Tür schloss.
„Will ich wissen warum? Nee, besser nicht.“ Dann trat er auf mich zu und umarmte mich herzlich. „Du hast mir gefehlt“, raunte er mir zu.
„Du mir auch.“ Ich kniff ihm in den knackigen Hintern.
Fast drei Wochen hatten wir uns nicht gesehen, weil mein Terminplan zu voll war und er auch nicht über mangelnde Beschäftigung klagen konnte.
„Ich wollte
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