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Wie angelt man sich einen Daemon

Titel: Wie angelt man sich einen Daemon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kenner
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auch keinen besseren Vorschlag. Außerdem
befürchtete ich, dass uns sowieso nicht mehr viel Zeit blieb.
    »In Ordnung«, sagte ich. »Aber falls du vorhast, dich umbringen zu lassen,
David Long…«
    »Das habe ich nicht vor. Ich verspreche es dir«, erwiderte er. Er streckte
die Hand aus und strich mir zärtlich eine Haarsträhne hinters Ohr. Für einen Moment
stockte mir der Atem. Ich wusste nicht, was ich fühlen sollte. David war ein Freund.
Sonst nichts. Und dennoch wusste ich in diesem Moment, dass auch ein Teil von mir
sterben müsste, wenn ich ihn verlöre.
    Wir fuhren schweigend zum Altenheim Coastal Mists. Ich schaltete die
Scheinwerfer aus, ehe ich in die Auffahrt einbog und in der Nähe des Haupteingangs
parkte.
    Um diese späte Stunde lag das Seniorenheim in völliger Dunkelheit da. Aber
wir hatten sowieso nicht vor, ins Haus zu gehen. Der Dämon hatte mir gesagt, dass
wir zu dem offenen Feld hinter dem Gebäude kommen sollten. Dorthin durften
Heimbewohner normalerweise nicht spazieren, da sich kein Zaun zwischen diesem
Bereich und dem Kliff kurz dahinter befand. Falls man dort vom Kliff herunterfiel,
würde man mindestens fünfzehn Meter in die Tiefe stürzen und auf scharfen Felskanten
aufschlagen. Überlebenschancen bestanden da keine.
    Anstatt also einen hübschen Platz für die Heimbewohner zu bieten, wo sie
spazieren gehen und ein Picknick einnehmen konnten, diente dieses Feld, das noch auf
dem Grundstück von Coastal Mists lag, nur als Ausblick aus dem Fernsehzimmer. Ich
trat zum Fenster und sah hinein. Gegen einen Kampf mit Dämonen hatte ich wahrhaftig
nichts einzuwenden. Aber ich wurde nur ungern dabei beobachtet.
    Wie gehofft, lag das Fernsehzimmer leer da. Die Heimbewohner waren schon
lange in ihren Zimmern verschwunden. Das ganze Haus schien zu schlafen, denn
nirgends war jemand zu sehen. Ich konnte auch keine Dämonen entdecken – weder in dem
Gebäude noch auf dem Grundstück.
    Von der Tatsache einmal abgesehen, dass es Dämonen gewesen waren, die uns
hierher gebeten hatten, bedeutete ihre Abwesenheit eigentlich nur Gutes. Vor nicht
allzu langer Zeit war Coastal Mists nämlich eine wahre Dämonenhochburg gewesen, in
der sich die menschlichen Mitarbeiter mehr als willig gezeigt hatten, den Dämonen
immer wieder frische Körperhüllen zu liefern.
    Zum Glück war das inzwischen nicht mehr der Fall. Aber der Tod besuchte
noch immer recht häufig das Altenheim, was bedeutete, dass Dämonen hier stets
zumindest zeitweilig anwesend waren. Ich hatte deshalb angefangen, regelmäßig im
Heim vorbeizusehen, nur um sicher zu sein, dass die Dämonen-Bevölkerung auf ein
Minimum beschränkt blieb.
    Normalerweise wäre ich eigentlich begeistert gewesen, hierherzukommen und
festzustellen, dass kein Dämon in Sichtweite war. Doch heute Nacht verlangte mich
danach, ein oder zwei von den Gesellen am Kragen zu packen. Ich war in der Laune für
einen Kampf. Und ich wollte endlich ein paar Antworten auf unsere Fragen.
    David lief das Grundstück ab und kehrte dann zu mir zurück. »Nichts«, sagte
er enttäuscht. »Nicht die kleinste Bewegung.«
    »Seit der Sache im Blue Note sind auch schon
einige Stunden vergangen«, gab ich zu bedenken. »Vielleicht haben sie die Geduld
verloren und angenommen, dass wir nicht mehr kommen würden.«
    »Oder das hier ist eine Falle«, meinte David.
    Ich sah ihm entsetzt in die Augen und konnte darin meine eigene Angst
erkennen. »Allie.«
    Dieses eine Wort reichte. Wir drehten uns beide um und rasten Richtung
Auto. Doch wir kamen nicht einmal drei Schritte weit, ehe ein markerschütternder
Schrei die Luft erfüllte. Es war ein unmenschliches Kreischen. Ich drehte mich um
und wurde sogleich von einer riesigen schwarzen Krähe zu Boden geschleudert.
    »David!«, brüllte ich, als sich die Krähe auf mein Gesicht stürzte. Ich
riss den Arm hoch und versuchte den Angriff abzuwehren. Selbst in die Offensive zu
gehen war mir in dieser Position nicht möglich. Der Vogel schlug mit seinen Flügeln
und hackte heftig mit seinem scharfen Schnabel auf mich ein, so dass mir nichts
anderes übrig blieb, als meine Augen zu schützen und mich irgendwie blind zu
verteidigen.
    »Warte!« Irgendwo hinter dem lauten Schlagen der Flügel des dämonischen
Vogels hörte ich Davids Stimme. Es folgte ein Ächzen und dann ein weiterer Schrei.
Der Vogel hatte sich mit den Klauen in meine Haare geklammert, so dass ich das
Gefühl hatte, meine halbe Schädeldecke würde abgetrennt, als er nun plötzlich

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