Wie angelt man sich einen Earl
versicherte sie sonnig. „Und solltest du dich trotzdem als König Blaubart erweisen, trage ich ganz allein die Schuld daran. Zufrieden?“
„Auf jeden Fall, wenn wir uns nur in diesem Punkt einig sind“, kam es seidenweich zurück.
Angel steckte ihr Handy weg und sagte sich, dass es ganz allein am hektischen Londoner Verkehr lag, dass ihr Herz wie verrückt gegen den Rippenbogen hämmerte. Auf keinen Fall aber an der verstörenden Mischung aus Angst, zitternder Erwartung und einem irritierenden Gefühl, das sie nicht einordnen konnte.
Verlangen?
Energisch rief sie sich zur Ordnung und überlegte angestrengt, wie sie ihrem Verlobten gleich entgegentreten sollte. Nachdem sie alle möglichen Rollen durchgespielt hatte, ohne zu einem befriedigenden Ergebnis zu kommen, hielt die Limousine mitten in der Londoner City vor einem eleganten Stadthaus in georgianischem Stil. Also kein Bürogebäude, sondern offenbar Rafes Privatdomizil.
Darauf war Angel nicht vorbereitet – und noch weniger auf den Anflug von Enttäuschung, als ihr Verlobter gar nicht da war, um sie zu empfangen. Stattdessen sah sie sich einer Armada von Anwälten gegenüber, genau genommen acht an der Zahl, die sich in einem eindrucksvollen Empfangssaal hinter einem riesigen dunklen Tisch verschanzt hatten und sie kühl baten, auf der anderen Seite Platz zu nehmen.
Wenn sie sich schon in dem silbernen Luxusschlitten underdressed gefühlt hatte, war sie hier völlig fehl am Platz.
„Ich dachte, ich würde Rafe treffen“, sagte sie mit möglichst festem Blick in die missbilligenden Gesichter der anwesenden Männer. Zum Glück zitterte ihre Stimme nicht wie die verräterischen Knie unter dem Tisch.
„Wir sind die Anwälte des Earls of Pembroke und vertreten seine Interessen … und natürlich auch Ihre, Miss Tilson .“
Angel nickte und lächelte dünn. Konnte man sich noch waidwunder und ausgelieferter fühlen? „Kein Grund, meinen Namen auszusprechen, als bereite er Ihnen Zahnschmerzen“, sagte sie mit zuckersüßer Stimme und machte einen besonders geraden Rücken. „Nicht mehr lange, und die Anrede lautet Countess …“
Keine Frage, eine Bemerkung wie diese war dazu geschaffen, die offensichtlichen Vorurteile der versammelten Anwälte noch zu untermauern. Doch zurücknehmen konnte Angel sie nicht, außerdem war es besser, die Fronten gleich zu Beginn zu klären.
Wie die Mutter so die Tochter!
Sie konnte es ihnen von den gerunzelten Stirnen ablesen. Also, warum lange diskutieren? Es gab Dokumente zu unterschreiben. Das wollte sie so schnell wie möglich hinter sich bringen und dann … Ja, was dann?
Wie sich herausstellte, gab es einen riesigen Haufen von Papieren, die gelesen, Klausel für Klausel erklärt und schließlich unterzeichnet werden mussten. Ja, sie verstand, was finanzielle Abhängigkeit und eingegangene Verpflichtung bedeutete. Nein, sie sah keine Komplikationen, die aus Klausel B, Absatz C resultieren könnten, und so weiter und so weiter …
Etliche Details und Vereinbarungen mussten getroffen werden, bevor der Earl of Pembroke eine Ehe eingehen konnte. Schließlich wurden Schecks ausgestellt, die an ihr Kreditinstitut und ihren Vermieter adressiert waren. Angel musste nichts weiter tun, als ihre Unterschrift an die Stellen zu setzen, die ihr von den Anwälten gezeigt wurden.
„Also, rein historisch gesehen soll die Einstellung englischer Gerichtshöfe gegenüber vorehelichen Vereinbarungen nicht gerade positiv sein, wie ich hörte …“, fühlte sich Angel gezwungen einzuwenden, als ein Anwalt ihr den x-ten Dokumentenstapel zum Unterzeichnen hinschob.
„Momentan wird am obersten Gerichtshof eine äußerst signifikante Debatte zum Thema Ehevertrag geführt“, zischte einer der Anwälte und rückte den Stapel noch näher an sie heran.
„Danke“, erwiderte Angel milde, lächelte und griff nach dem Stift. Warum sollte es ihr etwas ausmachen, dass sich ihr zukünftiger Gatte nach allen Seiten absicherte? Oder dass ihr die Anwälte einen Termin bei Rafes persönlichem Leibarzt besorgt hatten, der sie auf Herz und Nieren prüfen sollte – inklusive etlicher Bluttests, weniger dezenten Untersuchungen und einer lückenlosen Geschichte ihrer Vorerkrankungen, belegt durch ärztliche Atteste.
Wenn sie etwas irritieren durfte, dann einzig und allein die Tatsache, dass sie sich bisher über diese Seite der Medaille keinerlei Gedanken gemacht hatte. Selbstverständlich wollte Rafe sicherstellen, dass sie fähig war,
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