Wie angelt man sich einen Earl
seine Erben zu empfangen und auszutragen. Und natürlich wollte er, dass die zukünftige Countess of Pembroke frei von unliebsamen Erkrankungen war! Das war bei einer derartigen Investition doch kein Wunder, oder?
Alles war perfekt vorbereitet und lief so präzise, emotionslos und kaltherzig ab wie ein gut geöltes Uhrwerk. Zwischendurch nippte Angel immer wieder an der Teetasse aus feinstem Chinaporzellan, knabberte an exquisitem Backwerk und versuchte, ihren flatternden Puls zu kontrollieren. Tee und Gebäck repräsentierten den luxuriösen, sorgenfreien Lebensstil, der zukünftig auch der ihre sein würde. Dazu war nichts weiter nötig, als alberne Jungmädchenfantasien und romantisch versponnene Träume von der großen, immerwährenden Liebe hinter sich zu lassen und sich auf das nüchterne Ehekonzept ihres Vernunftgatten einzustellen.
Was könnte besser sein? Oder zumindest vernünftiger und krisensicherer? fragte Angel sich nüchtern. Es gab also nicht den leisesten Grund, sich innerlich leer oder beklommen zu fühlen. Sie bekam doch genau das, was sie geplant hatte …
Fast wäre Angel in Rafe hineingerannt, als sie am zehnten Tag des Überlegungs- und Unterzeichnungsmarathons sein Stadthaus verlassen wollte. Es war spät am Nachmittag, und Angel zuckte heftig zusammen, als sich ihr Verlobter lautlos aus dem Schatten des imposanten Eingangs löste und ihr in den Weg trat.
Er sagte kein Wort, sondern sah sie nur an. Es war wie im Ballsaal von Santina, alles um sie herum versank im Nichts, es gab nur noch Rafe und sie. Er wirkte noch größer und kräftiger als in ihrer Erinnerung. Eindrucksvoll und irgendwie fordernd, so ausschließlich, als würde er auch noch die Luft beanspruchen, die sie atmete.
Gnadenlos! dachte Angel mit wild klopfendem Herzen und ohne eine Idee, woher dieser absurde Gedanke stammte. Wann hatte sie Rafe anders als freundlich und zurückhaltend erlebt, egal, wie finster seine Miene wirkte? Es war wie ein siebter Sinn, ein Instinkt, der Gefahr signalisierte, ohne dass sie es hätte erklären können.
„Ich habe mich schon gefragt, ob es dich überhaupt gibt oder du nur ein Produkt meiner überschäumenden Fantasie bist“, flüchtete sie sich in ihren gewohnten Sarkasmus, um die Unsicherheit zu verbergen. „Außerdem hätte ich mir nie träumen lassen, dass ein so schnell getroffener Deal so langatmig und kompliziert unter Dach und Fach zu bringen ist“, fuhr sie schnell fort, um bloß keine Schwäche zu zeigen. „Ich dachte, vom ersten Tanz wäre es nur ein winziger Schritt zum Happy End.“
Immer noch verzog Rafe keine Miene, ließ seine Braut aber auch nicht eine Sekunde aus den Augen. Obwohl er sich nicht bewegte, schien er ihr ständig näher zu kommen. „Hast du dich mittlerweile selbst davon überzeugt, dass sich zwischen uns doch eine romantische Liebesgeschichte entspinnt, Angel?“, fragte er mit dieser leisen, rauen Stimme, die ihr durch und durch ging. „Ich befürchte, dann steht dir eine große Enttäuschung bevor.“
Um sich selbst Mut zu machen, lächelte sie besonders strahlend. „Wenn dem so wäre, hätten mich spätestens die letzten zehn Tage gründlich kuriert. Wahrscheinlich waren sie genau dafür gedacht, oder?“
Wieder entstand eine atemlose Pause. Einen Moment dachte Angel, Rafe würde ihr widersprechen, doch dann verdunkelte sich sein Blick, und er schüttelte den Kopf. „Es mag dir nicht so erscheinen, aber ich will dich damit ebenso schützen wie mich selbst.“
„Tatsächlich?“ Jetzt lächelte sie noch breiter und ein bisschen lasziv. „Schon vergessen? Ich bin die Frau, die dich auf einer royalen Verlobungsparty vollkommen ungeniert angesprochen und gefragt hat, ob du mich heiraten würdest. Hört sich das so an, als bräuchte ich Schutz? Vielleicht sollte ich deinem Bataillon von Anwälten lieber einen Wink geben, dass du vor mir beschützt werden musst. Aber der Meinung sind sie ja ohnehin …“
Was sollte er darauf sagen? Natürlich hatten seine Anwälte Bedenken wegen der überstürzt geplanten Heirat. Aber er war nun mal sehr beschäftigt und kam so selten nach London wie nur möglich, da er die schmutzige, pulsierende Stadt ebenso hasste, wie sein anrüchiger Bruder sie geliebt hatte. Er verabscheute den Lärm, die neugierigen, erschrockenen oder mitleidigen Blicke. Darum erledigte er in der kurzen Zeitspanne seiner Anwesenheit immer so viel Geschäftliches wie nur möglich.
Doch wie sollte das funktionieren, wenn er den ganzen
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