Wie angelt man sich einen Earl
verabscheute, von der er heute allerdings nichts mitbekam, weil sich immer wieder Angels Gesicht davorschob. Ihr rasch aufblitzendes, sorgloses Lächeln, der scharfe, herausfordernde Blick, der elektrische Funke, der übersprang, sobald er ihre weiche Haut berührte … ihr anbetungswürdiger Mund.
Natürlich hätte er es besser wissen müssen, als sich auf diesen unmöglichen Deal einzulassen. Und besäße er auch nur einen Funken Anstand, hätte er die Farce spätestens beendet, nachdem er zurück in London und in der Realität angekommen war. Wie konnte er nur jemanden an sich ketten wollen, der nichts von ihm und seinen Dämonen wusste? Angel war geblendet von seinem Geld und sah in ihm eine Art Retter, doch das war nur der kleinste Teil von dem, was sie sich einhandelte, wenn sie sich auf ihn einließ. Ganz sicher hatte sie etwas Besseres verdient, und trotzdem brachte er es nicht über sich, sie abzuweisen.
Andererseits … musste er sich über eine Frau mit derart niedrigen Erwartungen an das Glück zu zweit überhaupt so viele Gedanken machen? Ihre Ehe wäre ein nüchternes, geschäftliches Arrangement, von dem beide Seiten profitierten. Nur eines durfte er nie zulassen: dass Gefühle ins Spiel kamen! Das würde er ihr von Anfang an klarmachen. Wichtig waren Pflichtgefühl, Verantwortung und strenge Regeln. Diese Mischung könnte das Monster in ihm im Zaum halten. Er gab keine Versprechen, und sie versuchte zum Glück gar nicht erst, ihm Liebe vorzugaukeln. So würden sie beide exakt das bekommen, was sie erwarteten.
Es war Freitag, und es geschah völlig unerwartet, dass Angel in einem dieser furchtbaren Klatschblätter ein Bild von sich entdeckte. Oder besser von sich und Rafe, wie sie beide nach der Verlobungsparty in Santina auf die Limousine zugingen, die sie in ihre Hotels bringen sollte.
Noch nie war sie seit jenem Abend so dicht davor gewesen, den ganzen verrückten Deal abzusagen, wie in diesem Moment. Obwohl ihr schon die ganze Woche über ähnliche Gedanken durch den Kopf gingen. Entsetzt starrte sie auf das grobkörnige Foto. Das Mädchen auf dem Bild hielt den Kopf kokett zur Seite geneigt, während sie den grimmig aussehenden Mann an ihrer Seite anzuschmachten schien. Trotz der schlechten Aufnahme sah Rafe überwältigend arrogant und eindrucksvoll aus, während sie wie ihre flatterhafte, geldgierige Mutter wirkte, wenn sie auf dem Kriegspfad war!
Grundgütiger! Die ganze Welt würde überzeugt sein, dass sie den Lord of Pembroke nur wegen seines Geldes heiratete, genau wie es damals zwischen Chantelle und Bobby gewesen war. Opportunistische Goldgräberin wäre noch der harmloseste Name, den man ihr geben würde. Warum sich also nicht gleich eingestehen, dass sie keinen Deut besser als ihre Mutter war? Obwohl sie genau das nie gewollt hatte!
Überwältigt von Scham und widerstreitenden Gefühlen, stürmte Angel aus dem Laden und hastete die Straße entlang. Dabei blinzelte sie verbissen die aufsteigenden Tränen weg. Oh, nein, sie würde nicht weinen! Schon gar nicht in der Öffentlichkeit. Als ihr Handy klingelte, verlangsamte sie ihre Schritte. Dass es ausgerechnet Ben war, der sie anrief, machte alles nur noch schlimmer. Diesmal fiel es ihr besonders schwer, den lässigen Ton anzuschlagen, hinter dem sie gewöhnlich ihre wahren Gefühle verbarg.
„Was hast du mit dem Earl of Pembroke zu schaffen?“, wollte ihr ältester Stiefbruder ohne Umschweife wissen. Angel kannte den Ton nur zu gut. Er besagte, dass Ben sich aufrichtig um sie sorgte – wie auch um alle anderen Mitglieder des Jackson-Clans. Als trüge er allein die Verantwortung für das Wohlergehen der gesamten Familie.
Ihr Magen krampfte sich vor Scham zusammen. Was sollte sie ihm sagen? Ben hatte immer nur ihr Bestes gewollt. Wenn sie ihm jetzt die Wahrheit gestand, wäre er zutiefst enttäuscht von ihr. Und er war einer der ganz wenigen Menschen, die ihr wirklich nahestanden. Also gab sie etwas Oberflächliches zum Besten, ohne groß über ihre Worte nachzudenken. Hauptsache, Ben kam der Wahrheit nicht auf die Spur.
„Pass auf dich auf, Angel“, riet er leise und eindringlich.
Sie spürte, wie ihr Hals enger wurde. „Das tue ich doch immer. Er ist reich und hat einen Titel. Was kann ich sonst noch verlangen?“
Die Frage ging ihr noch im Kopf herum, nachdem ihr Gespräch mit Ben längst beendet war und sie das Handy wieder eingesteckt hatte. Es war ein kalter, grauer Apriltag, der schneidende Wind drang durch ihre
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