Wie angelt man sich einen Earl
Tag über nur Angel vor sich sah? Das mutwillige Blitzen in den wundervollen blauen Augen, das herausfordernde und gleichzeitig seltsam verständnisvolle Lächeln, das ihre Mundwinkel hob. Der perfekte Körper, der sogar die lässige Jeans, die sie heute trug, wie ein aufsehenerregendes Designer-Outfit wirken ließ!
Anstatt ihre Vorzüge in Szene zu setzen, stand sie einfach nur da und schaute ihn an. Ruhig, mit einer Spur Neugier im Blick. Nicht zum ersten Mal befürchtete Rafe, sie könne zu viel sehen. Oder nicht genug. Was fataler wäre, vermochte er nicht zu entscheiden. Angel heiratete ihn wegen seines Geldes, und er sie, weil sie ihm überzeugend vorgespielt hatte, nicht das Monster in ihm zu sehen.
Das ließ ihn wünschen, die Dinge lägen anders. Er wäre jemand anderer. Es weckte Hoffnungen in ihm, die gefährlich waren. Dabei hatte er fest damit gerechnet, dass sie doch noch kneifen würde, wie es jede Frau mit Verstand getan hätte. Und mit jedem Tag, an dem sie es nicht tat, war seine Hoffnung ein wenig gewachsen. Er konnte nichts dagegen tun.
„Ich bin mehr als ausreichend abgesichert“, sagte er jetzt knapp. „Allein die Anzahl meiner Anwälte sollte dir die Gewissheit geben, dass ich nicht vorhabe, mir mein Familienvermögen nehmen zu lassen, egal von wem.“
„Und schon gar nicht von einer geldgierigen Harpyie wie mir, willst du wohl sagen“, schmunzelte Angel und zwinkerte ihm zu, als habe er gerade einen guten Witz gemacht, den sie durchaus mochte und honorierte. Was sie diese Vorstellung kostete, musste er ja nicht wissen. „Sind wenigstens die ärztlichen Untersuchungen zu deiner Zufriedenheit ausgefallen?“
Trotz des leichten Tons war der Tadel in ihrer Frage nicht zu überhören. „Erwartest du jetzt eine Entschuldigung von mir?“
Angel hob die feinen Brauen. „Absolut nicht! Schließlich habe ich heute Morgen im Gegenzug auch ein Dokument über deinen gesundheitlichen Status präsentiert bekommen. Und ich kann Ihnen nur zu Ihrer robusten Verfassung gratulieren, Lord Pembroke . Möge sie lange andauern.“
Natürlich ließ er sich nicht von ihrem Lächeln täuschen. „Wenn ich mich entschuldigen soll, musst du es sagen. Ob ich darauf eingehe oder nicht, wird sich dann zeigen. Aber was ich nicht akzeptiere, sind derartige Katz- und Maus-Spiele. Niemals, hörst du?“
Zum Ende hin war seine Stimme immer schneidender geworden, und Angels Lächeln war wie weggewischt. Rafe glaubte sogar ihren Herzschlag zu hören, aber das bildete er sich vermutlich nur ein.
„Das war dann wohl der erste Streit zwischen Frischverlobten“, konstatierte sie schließlich rau.
Verdammt! Er hatte sie nicht verletzen wollen. Aber da er überzeugt war, dass sie sich hinter ihrem schnoddrig-frivolen Ton nur versteckte, fühlte Rafe sich betrogen. Es hätte ihm gleichgültig sein müssen, was sie vor ihm und der Welt verbarg, doch das war es nicht. „Ich mag es einfach nicht, wenn man sich hinter Masken versteckt!“, brummte er ungnädig.
„Alle Menschen tragen Masken, manche haben dafür nur triftigere Gründe als andere …“ Ihr Ton hatte sich völlig verändert. „Trotzdem darfst du erwarten, dass man dir wenigstens so aufrichtig wie möglich gegenübertritt. Apropos … möchtest du mir vielleicht verraten, was du hinter deiner Maske verbirgst, Rafe?“
Inzwischen hatte er überhaupt keine Lust mehr, über Masken zu reden, und schon gar nicht über seine eigene! Angels blaue Augen schienen sich immer mehr zu verdunkeln, je näher er ihr kam. Nur mit Mühe hielt Rafe sich davon ab, ihr schmales Gesicht mit den Händen zu umfassen und seinen Mund auf die weichen, anbetungswürdigen Lippen zu pressen. Zur Hölle, er wollte sie! Und das von der ersten Sekunde an.
Seit jenem Ballabend auf Santina haderte er mit dem wilden Begehren, das diese Frau in ihm wachrief. Seine Wut auf sich selbst und diese fatale Schwäche hatte sich seither nicht gelegt. Angels angespannte Miene und ihr verhaltener Blick ließen Rafe sich fragen, was davon in seinem Gesicht zu lesen war.
Mein Gesicht! Wie konnte ich nur vergessen, dass jeder das Monster in mir sieht?
Doch das Lächeln, das jetzt ihre Lippen umspielte, sagte etwas anderes. Es war weich, entschuldigend und amüsiert. „Verzeih, das war natürlich rein literarisch gemeint“, erläuterte Angel mit einem Blick auf seine Narben.
„Na, wenn das kein Trost ist …“, knurrte Rafe. Er wollte sie endlich in seinen Armen spüren, ihr die Kleider vom Leib
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