Wie ausgewechselt
Niedersachsenstadion von Hannover, allerdings ohne Assauer.
»Ich bin um das Pokalendspiel betrogen worden. Zu meinem größten Erstaunen spielte nämlich der Straschitz gegen Aachen und konnte sich später mit dem Pott fotografieren lassen.«
Assauer bleibt nur die Zuschauerrolle in Hannover, er schmollt. Sein erstes großes Finale erlebt er nur von der Bank aus, Einwechslungen sind damals noch nicht erlaubt. Für Schmidt war die Verbannung auf die Bank »eine ganz klare Retourkutsche, eine Art Revanche für die Überheblichkeit und die Grüppchenbildung – denn Hermann Straschitz war augenscheinlich der schlechtere Spieler«. Der BVB gewinnt schließlich durch Tore von Schmidt und Emmerich mit 2 : 0 den DFB-Pokal, erstmals in der Vereinsgeschichte. Für Assauer die erste große Enttäuschung seiner Karriere. Doch Trainer Eppenhoff wird er schnell los, denn der Coach muss nach der Saison gehen. Statt seiner kommt Willi Multhaup, der 1965 mit Werder Bremen Meister geworden ist. Der 62-Jährige führt ein strengeres Regiment als sein Vorgänger, aber auch diesen Trainer nimmt Assauer nicht richtig ernst.
»Wir haben damals richtig hart trainiert, meist zweimal am Tag – auch in den sogenannten englischen Wochen mit zwei Spielen. Die Sportschule Kaiserau diente uns als Trainingslager, zum Zeitvertreib haben wir dort meist Karten gespielt. Für viel mehr reichte die Kraft nicht. Im Training Kondition als Grundlage zu schaffen war das eine, auf dem Platz aber hat diese Mannschaft ein Eigenleben entwickelt. Jeder wusste, was zu tun war. Vielleicht kann man sich das heutzutage nicht mehr vorstellen, aber bei diesem Team spielte es wirklich keine Rolle, wer auf der Trainerbank saß. Unser Multhaup war doch das beste Beispiel. Er stammte aus Essen, seine Eltern hatten ein Fischgeschäft – also wurde er von klein auf ›Fischken‹ genannt. Im Vorjahr hatte er zwar mit Bremen den Titel geholt, galt dennoch eher als Verlierertyp. Aus meiner Sicht hatte er wenig Anteil an den Erfolgen unserer Mannschaft. Der hat mehr mit den Zuschauern als mit uns gesprochen. Wir haben uns selbst die Taktik zurechtgelegt, sind rausgegangen, und ab ging die Post. Da gab es kein großes Theater vorher, keine Videoaufzeichnungen, keine DVDs, kein Pipapo wie heutzutage.«
Aki Schmidt nimmt dies jedoch anders wahr als der vorlaute Assauer, der Kapitän sagt im Rückblick: »Na ja, ganz so war es ja nicht. Jeder Trainer hat seine Handschrift, auch Multhaup, und du musst die Truppe erst mal ins Laufen bringen. Wenn sich dann der Erfolg einstellt, läuft es von allein. Aber Assi hat es in dieser Saison eben übertrieben mit seinem Laisser-faire. Eines Tages, wir trocknen uns in der Kabine gerade nach dem Duschen ab, da zeigt der Assi auf Trainer Multhaup und sagt zu mir: ›Schau mal an, der Hans Albers! Unser Fischken schaut aus wie der Albers!‹ Ich sage: ›Mensch, Assi, der hat das mitgekriegt.‹ ›Nein, nein‹, wiegelt Rudi ab. Und der Trainer lässt sich nichts anmerken. Erst am nächsten Tag bittet er Assauer nach der Teameinheit noch zum Sondertraining. Nur die beiden verbleiben auf dem Platz. Der Trainer sagte: ›Mein lieber Rudi, bleiben Sie mal schön hier. Ich muss Ihnen was zeigen. Sie machen im Spiel zu große, zu raumgreifende Schritte.‹ Dann hat der Multhaup den lang gemacht, mein lieber Schwan. Eine halbe Stunde Einzeltraining, voll Stoff. Wie ein Reh muss Rudi in kleinen Trippelschritten sprinten. Das hat richtig wehgetan. Wir Spieler haben von drinnen zugeschaut und uns köstlich amüsiert. Die meisten meinten, dass er ganz zu Recht endlich mal eine gewischt bekommen hat. Nicht nur einmal musste der Assi so ein Straftraining machen.«
Im Sommer 1965 wechselt Konietzka zu 1860 München, Brungs nach Nürnberg. Die Neuen beim BVB sind Glücksgriffe: Siegfried »Sigi« Held und Reinhard » Stan« Libuda. In der Bundesliga pendeln die Borussen in der Saison 1965/66 nach einer Auftaktniederlage meist zwischen Rang eins und Platz vier. Immerhin gelingt ihnen im Februar 1966 mit einem 7 : 0 der höchste Derby-Sieg aller Zeiten gegen den Nachbarrivalen FC Schalke 04 – ohne Assauer. Wieder fehlt er in einem der legendärsten Spiele der BVB-Vereinsgeschichte. Als Titelverteidiger des DFB-Pokals erwischt es die Schwarz-Gelben in der ersten Runde mit 0 : 2 beim FC Bayern. Doch im Europapokal der Pokalsieger startet die Elf von Multhaup richtig durch. Über den FC Floriana aus Malta, ZSKA Sofia, Atletico Madrid und im Halbfinale
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