Wie ausgewechselt
Hause auf den Tisch legen, auch die Prämien. Für jedes gewonnene Spiel gab es zehn Mark, für jedes Unentschieden fünf. Auch meinen Verdienst als Stahlbauschlosser musste ich abgeben. Ich bekam dafür Taschengeld, aber das war damals normal. Mir war das Geld nicht wichtig. Es ging mir nur ums Fußballspielen, um den Spaß. Vom großen Geld konnte man da als junger Bursche eh noch nicht träumen. Die Obergrenze bei der Bezahlung lag Anfang der 60er-Jahre bei 1200 Mark, sogar für Nationalspieler. Mehr durfte keiner verdienen, auch wenn unter der Hand bei den großen Vereinen mehr gezahlt wurde. Reine Profis gab es eh nicht, höchstens Semiprofis. Die hatten alle noch einen Beruf. Der Timo Konietzka zum Beispiel hat bei der Stadt Dortmund immer die Gaslaternen ausgemacht.«
Mit acht Jahren war Rudi der Spielvereinigung Herten beigetreten, und in der Saison 1962/63 spielt er in der ersten Mannschaft. Er ist nun eine der grün-weiß gestreiften »Katzen« aus dem Stadion im Katzenbusch. Als Tabellendritter der Zweiten Liga West, nur zwei Punkte hinter dem VfB Bottrop und dem TuS Duisburg, gelingt den Hertenern die Qualifikation für die neu gebildete Regionalliga West. Diese bildet den Unterbau für die ebenfalls neu gegründete Bundesliga im DFB-Bereich. Assauer macht als Libero 35 von 38 möglichen Spielen und erzielt sieben Tore, auf seinen ersten Regionalligatreffer muss er allerdings bis nach Weihnachten warten. Erst am 29. Dezember 1963 trifft er beim 1 : 4 in Leverkusen zwei Minuten vor Spielende. Es ist der Ehrentreffer für die Katzen. Die Saison verläuft insgesamt eher ungemütlich für Herten – und extrem unglücklich. Assauer erlebt den ersten emotionalen Tiefpunkt seiner Karriere: Am letzten Spieltag verliert die Spielvereinigung durch einen Handelfmeter in der Schlussminute mit 1 : 2 in Bottrop, zuvor ist es Assauer, der den Ausgleich erzielt. Herten muss daraufhin in die Verbandsliga absteigen, heute spielt die Spielvereinigung in der Bezirksklasse Staffel 12.
Das sollte nicht Assauers letzter Abstieg sein – als Spieler jedoch schon. Er lässt sich auf jeden Fall nicht entmutigen. Und längst schon ist man auf das Talent aufmerksam geworden. Für ihn kommt daher bald der rasante Aufstieg, dank seines Ehrgeizes, seiner Zielstrebigkeit und seines Willens, es unbedingt zu schaffen.
»Wer nicht abgehoben durch die Welt läuft, kann etwas erreichen. Ich hatte, als ich anfing, nicht all die Mädchen im Kopf und solche Geschichten. Die heutige Jugend ist ja schon mit 15 Jahren geschlechtsreif. Ich war es erst mit 18.«
Viel gelernt hat er von einem seiner ersten Trainer als Semiprofi bei der Spielvereinigung Herten, von Kurt Sahm. Der Exstürmer, früher selbst beim STV Horst-Emscher, Borussia Dortmund und Werder Bremen aktiv, formt den jungen Assauer. Er will, dass das Talent aus Herten schafft, was er selbst nicht geschafft hat: Nationalspieler werden. Sahm ist zwar sogar einmal berufen worden, doch die Kombination aus Pech und Schicksal hat einen Einsatz verhindert. Im Mai 1952 wurde Sahm nämlich zum Länderspiel in Köln gegen Irland eingeladen. Aber er wusste nichts davon. Denn der damalige Fußballobmann des DFB, der die Einladung persönlich überreichen sollte, hatte diese einfach in seiner Jacke vergessen.
Für Assauer läuft es besser. Während der eineinhalb Jahre seiner Bundeswehrzeit in Unna erkennt Major Rein, der sportliche Leiter der Militärnationalmannschaft, das außergewöhnliche Talent.
»Der alte Herr war in Ordnung, er kam aus Aachen, war leider schwer krank. Aber er gab mir alle Freiheiten, damit ich trainieren konnte. In der Wehrdienstzeit habe ich mehr Fußball gespielt als andere Dinge gemacht, war gar nicht richtig in der Truppe. Am Wochenende hatte ich frei und durfte nach Hause. So konnte ich für die Spielvereinigung Herten kicken. Ich war einfach besser als die anderen, das war das Entscheidende. Daher wurde ich gefördert.«
Er wird in die Deutsche Bundeswehr-Nationalmannschaft berufen und reist mit zur Endrunde der Internationalen Militärmeisterschaft in die Türkei. Für Assauer, den Ruhrpottjungen, ist dies die erste Reise in die große, weite Welt. Die deutsche Auswahl wird schließlich Dritter. Nun beginnt die Zeit der vielen Reisen, in die Türkei, nach Ägypten, und des Strebens danach, von einem der großen Klubs entdeckt zu werden. »Rudi hat uns immer Karten geschrieben – egal, wo er gerade gespielt hat«, erinnert sich seine Schwester, »die ganze
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