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Wie ausgewechselt

Wie ausgewechselt

Titel: Wie ausgewechselt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudi Assauer , Patrick Strasser
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entscheidet auf Tor – 1 : 1. Englische Fans stürmen den Platz und feiern ihre Lieblinge, für sie ist nun die Wende gekommen, der Sieg nur eine Frage der Zeit. Und für die Dortmunder geht die Abwehrschlacht weiter.
    »Ich kann mich noch gut erinnern, wie entsetzt wir waren: Das Ausgleichstor für die Engländer war absolut irregulär. Der Ball war drei Meter hinter der Torauslinie, das sah jeder. Alle blieben stehen, dachten, es wird abgepfiffen, aber der Schiri ließ weiterspielen. Aus dieser Verwirrung heraus machten die den Ausgleich. Die Partie wurde härter, die Liverpooler Jungs haben uns ganz schön auf die Socken gegeben – aber wir hatten keine Angst. Ich bin gerannt wie ein Bekloppter, irgendwann wurden die Schritte in dem Schmuddelwetter auf dem tiefen, matschigen Rasen schwerer und schwerer. Nach etwa einer Stunde hatte ich die ersten Wadenkrämpfe – oh Gott, oh Gott, dachte ich. Aber ich musste durchspielen, weil man ja noch nicht auswechseln durfte. Weil es beim 1 : 1 blieb, gab es Verlängerung. Auch das noch!«
    Zweimal 15 Minuten bis zur Entscheidung, sonst hätte es an selber Stelle 48 Stunden später ein Entscheidungsspiel gegeben. Dortmund übersteht die erste Viertelstunde der Verlängerung – weiter heißt es 1 : 1. In der 107. Minute geschieht dann das Unfassbare.
    »Ich hab das aus meiner Position gar nicht richtig gesehen. Plötzlich senkte sich diese krumme Bogenlampe von Libuda ins Netz der Liverpooler. 2 : 1 – ein verrücktes, kurioses Ding. Da war auch ’ne Menge Glück dabei. Ausgerechnet Stan machte die Bude, dabei hatte er nicht viel Land gesehen in diesem Spiel.«
    Libuda erlebt bis zu jener Minute tatsächlich einen grauenhaften Abend. Fast alles misslingt ihm. Mit seinen Dribblings bleibt er meist schon beim ersten, spätestens aber beim zweiten Gegenspieler hängen. Seine Pässe kommen nicht an, seine Flanken enden im Nirgendwo oder in den Armen des Liverpooler Torwarts Lawrence. In jener 107. Minute nimmt Sigi Held seine letzte Kraft zusammen und startet einen Sololauf nach Pass von Schmidt. Vorbei an Lawler, Milne und Yeats, dringt er in den Liverpooler Strafraum ein und hat nur noch den Keeper vor sich. Er schießt Lawrence an, der Abpraller fällt Libuda vor die Füße. Gedankenschnell zieht er ab, versucht eine Bogenlampe über den Torwart, der weit herausgelaufen ist, ins leere Tor. Der Ball wäre vom Gebälk ins Feld zurückgeprallt, doch Liverpools Abwehrriese Ron Yeats nimmt die Kugel bei seinem stümperhaften Rettungsversuch mit ins eigene Tor. Das ist der Siegtreffer für den BVB.
    Libuda lässt sich bäuchlings auf den Rasen fallen – ausgelaugt und überglücklich. Emmerich rennt jubelnd auf ihn zu und schreit ihn an: »Mensch, Stan, jetzt müssen wir die 10 000 Mark nicht bezahlen.« Denn diese Strafe hatte Trainer Multhaup Libuda und den Mitspielern angedroht, weil er sie am Vorabend beim Zocken erwischt hatte. Er verschweigt den Vorfall gegenüber der Presse, aber im Falle einer Niederlage hätte die Mannschaft blechen müssen. Mit den letzten Kraftreserven bringt Dortmund das 2 : 1 über die Zeit. Schließlich ist es geschafft. Trainer Multhaup rennt auf den Platz, umarmt seine Spieler, die wissen: Nun kassieren sie die Siegprämie in Höhe von 6000 Mark pro Mann. Viele haben Tränen der Freude in den Augen, als Gustav Wiederkehr, der Präsident des Europäischen Fußballverbandes UEFA, bei der Siegerehrung Borussias Kapitän Wolfgang Paul den Europacup überreicht. Schmidt ist mit seinem Sorgenkind Assauer zufrieden: »Im Finale von Glasgow hat er nach meiner Warnung mit dem Tritt in den Hintern sensationell gespielt, richtig elegant, fast körperlos. Eine intelligente Partie von unserem Küken, er war einer der Besten.«
    »Ich war fix und alle wie jeder von uns. Mein Kumpel Aki Schmidt lief die Ehrenrunde mit dem Pott gar nicht mit. Er meinte, er wäre doch nicht bescheuert, noch einmal durch diesen Morast zu stapfen. Ich war überglücklich. Erstens, weil wir die erste deutsche Mannschaft waren, die einen Europacup gewonnen hatte, und vor allem weil mein Vater Franz diesen Triumph vor Ort in Glasgow miterleben konnte. Er ist nur zweimal in seinem ganzen Leben geflogen: Hin- und Rückflug zum Finale. Dass er das auf sich genommen hat und dabei war – darauf bin ich heute noch stolz. Und natürlich auf den Titel. Dass dieser mein erster und zugleich letzter in meiner gesamten Spielerkarriere bleiben sollte, hätte ich damals nicht gedacht. Mit 22

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