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Wie ausgewechselt

Wie ausgewechselt

Titel: Wie ausgewechselt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudi Assauer , Patrick Strasser
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Titelverteidiger West Ham United aus London ziehen die Dortmunder ins Endspiel gegen den FC Liverpool ein. Als dritter deutscher Verein nach Eintracht Frankfurt und 1860 München steht die Mannschaft im Finale eines europäischen Wettbewerbs. Die Vorgänger verloren ihre Endspiele. Nun hat der BVB die Chance, Fußballgeschichte zu schreiben. Das jedoch erscheint eine sehr hohe Hürde zu sein, geht es doch gegen die berühmten »Reds« von der Anfield Road, gegen den englischen Meister von 1964 und 1966, gegen die britischen Stars um Yeats, Hunt, Callaghan und St. John und deren berühmten Trainer Bill Shankly. Ein weiterer Nachteil: Das Finale findet im Glasgower Hampden Park statt, also auf bri tischem Boden. Für Assauer zählt jedoch nur eines: Er darf mitspielen. In den vorherigen Runden hat er vier der acht Spiele gemacht, und er war in beiden Halbfinals gegen die Londoner von West Ham dabei.
    »Mit großem Selbstvertrauen und mit der richtigen Portion Coolness sind wir drei Tage vor der Partie nach Glasgow geflogen. Wir hatten uns vorgenommen, das Ding zu gewinnen. Ob wir nun als Außenseiter oder als Favorit hinfuhren, war uns egal. Wir wussten wohl, dass keiner einen Pfifferling auf uns gesetzt hat. Liverpools Trainer Shankly tönte, es gebe nur zwei gute Teams in England: seine erste Mannschaft und seine Reserve. Und überhaupt: Im Finale gegen uns gehe es doch nur um die Höhe des Sieges. Besten Dank für die Extramotivation, haben wir uns gedacht. Vor dem Anpfiff lautete Multhaups letzte Anweisung: ›Meine Herren, wir wollen unsere Haut so teuer wie möglich verkaufen.‹ Für mich persönlich erfüllte sich ein Traum: Da Friedhelm Groppe, zuvor Stammspieler, sich verletzt hatte, schenkte mir Fischken Multhaup das Vertrauen. Ich war der Jüngste auf dem Platz.«
    Rund 20 000 Fans reisen aus der Stadt der Beatles nach Glasgow. Sie schmieren das Stadion mit Siegesparolen der Reds voll, sogar die Torpfosten werden rot angemalt. Die knapp 2000 Borussen-Fans sind da deutlich in der Minderheit. Der Hampden Park, damals mit einer Kapazität von bis zu 135 000 Plätzen das größte Stadion Europas, ist mit lediglich knapp über 40 000 Zuschauern gefüllt. Das Wetter an diesem Donnerstagabend, dem 5. Mai 1966 in Glasgow: typisch britisch. Nieselregen, tief hängende Wolken, alles grau in grau. In Deutschland fiebern bis zu 40 Millionen Menschen vor den Fernsehern mit.
    »Bevor es losging, hab ich noch einen verpasst bekommen. Das werde ich mein Lebtag nicht vergessen. Als wir vor dem Anpfiff aus unserer Kabine Richtung Platz gingen, trat mir unser Spielmacher Aki Schmidt mit voller Wucht in den Hintern und schrie mich an: ›Assi, nur ein Fehlpass, und ich bring dich um.‹ Er hatte wohl Angst, dass ich hinten in der Abwehr zu leichtsinnig spiele und zu viel riskiere. Ich bin richtig erschrocken, mein Konter damals war nur halbherzig: ›Du bist ja nicht mehr ganz frisch.‹ Aber so hat er mich motiviert. Ich war im ganzen Spiel hellwach. Das müsste sich heute mal einer erlauben: Es gäbe eine Riesenschlagzeile wegen ›Mobbing‹, und der betroffene Spieler würde wahrscheinlich nach einem Psychologen schreien.«
    Assauer bildet mit Redder, Cyliax und Kurrat die Verteidigung, dahinter Ausputzer und Kapitän Paul vor Torwart Tilkowski. Der Verbindungsmann zwischen Defensive und Offensive ist Schmidt. Nach vorne sollen Sturm, Libuda, Held und Emmerich wirbeln.
    »Weil es so gegossen hatte, war der Boden weich und tief, der Ball blieb hier und da in richtigen Pfützen hängen. Das Spiel ging gleich mit voller Attacke los. Die Liverpooler stürmten wie verrückt, schossen aus allen Lagen. Torwart Tilkowski und meine Abwehrreihe waren richtig gefordert – überfallartige Angriffe waren das. Wir konnten kaum für Entlastungsangriffe sorgen, haben zu viele Bälle im Spielaufbau verloren. Alle rechneten jede Minute mit der Führung der Liverpooler. Aber wir haben alles überstanden – mit Kampfgeist und Moral. 0 : 0 stand es zur Pause. Für uns ein Teilerfolg.«
    Auch die zweite Halbzeit beginnt mit Dauerdruck der Engländer, doch dann stellt Sigi Held mit seinem Kontertreffer zum 1 : 0 den Spielverlauf auf den Kopf. Der BVB führt nach 61 Minuten – aber die Freude währt nur sieben Minuten, denn Hunt gleicht für Liverpool aus. Gnadenlos. Die Borussen protestieren, da sie den Ball zuvor bereits hinter der Torauslinie gesehen haben und einen Moment unachtsam waren, doch der französische Schiedsrichter Schwinte

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