Wie ausgewechselt
Familie hat sich gefreut und war erleichtert, dass er wohlauf war. Die Karten habe ich heute noch und die Andenken. Er hat immer Geschenke mitgebracht. So richtig gedient hat er ja beim Bund nicht. Er war immer unterwegs, unser Weltreisender.«
»Diese Reisen damals waren zum Teil abenteuerlich, mein lieber Mann. Da sind wir mit so einem alten Bomber geflogen, oh je, oh je. Ich dachte mir bei den Flügen immer, mit der Kiste kommen wir nicht an.«
Den entscheidenden Anstoß für Assauers Karriere geben jedoch nicht Kurt Sahm oder Major Rein, sondern Dettmar Cramer. Der spätere Bayern-Trainer, verantwortlich für zwei Münchner Europapokalsiege der Landesmeister, war bis Juni 1963 als Cheftrainer des Westdeutschen Fußballverbandes in Duisburg tätig. Unter ihm spielt Assauer in der Westfalenauswahl.
»Cramer war eine Autorität, ein großer Trainer. Vor ihm hatten alle jungen Spieler wie ich höchsten Respekt, manche haben richtig gezittert, obwohl er nur knapp über 1,60 Meter groß war. Cramer hatte ein gutes Auge für Talente in den Auswahlmannschaften.«
Weil sowohl Cramer als auch Major Rein über Verbindungen zu Borussia Dortmund verfügen, fädeln beide Assauers Wechsel an den Borsigplatz ein.
»Im Tabaklädchen von Walter Hubert am Bramhügel, das weiß ich noch, da hat die Spielvereinigung Herten damals das Ablösegeld erhalten: 50 000 DM, natürlich in bar. Abgewickelt und verhandelt hat den Deal mein Vater Franz. Als mein Bruder Lothar in den 50ern zu Westfalia Herne wechselte, hat er für Herten 40 000 DM ausgehandelt. Das konnte Papa gut, da hatte er Geschick. Etwas davon hat er mir in die Wiege gelegt, später habe ich einiges von ihm mitbekommen. Vielleicht war das Handwerk eigentlich gar nicht das Richtige für ihn.«
Assauer wechselt 1964 nach Dortmund, damit wird sein Traum wahr: Profifußballer. Als er beim BVB anfängt, beginnt er jedoch zur beruflichen Absicherung nebenbei eine Bankkaufmannlehre bei der Hypo-Bank – organisiert vom Verein. Drei Jahre ist er, der frühere Kegeljunge aus der Kneipe, Banker und Libero zugleich.
»Zu Hause hatten wir lange keinen Fernseher. Ich habe daher in der Kneipe Vollmer am Katzenbusch auf dem Boden gesessen, wenn Fußballspiele übertragen wurden. Bei Vollmer wurde auch gekegelt. Ich habe mir dort als Kegeljunge ein paar Mark verdient, habe die umgeschossenen Kegel wieder aufgestellt und die Kugeln zu den Spielern zurückgeworfen. Manchmal hat mir meine Schwester geholfen. In die Kneipe kamen auch Fußballer von der Spielvereinigung Herten. Weil sie mich als Kegeljungen kannten, durfte ich als Einziger meines Alters bei Heimspielen direkt am Spielfeldrand sitzen.«
4. Meine erste Profistation
»Ein Tritt ins Glück beim BVB«
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Rudi Assauer zieht 1964 vor seiner Zwillingsschwester Karin aus – vom elterlichen Zuhause in eine Souterrainwohnung in Dortmund. Er wird also selbstständig, wohnt in seiner ersten eigenen Bude und unterschreibt beim BVB seinen ersten Profivertrag, der für damalige Verhältnisse gut dotiert ist. 1200 DM brutto bekommt er laut dem strengen DFB-Statut als Grundgehalt, dazu kommt dann noch die Jahresleistungsprämie. Der durchschnittliche Verdienst eines Arbeiters im Ruhrgebiet beträgt Mitte der 60er-Jahre im Vergleich dazu rund 500 DM. Der Junge aus Herten ist damit angekommen in der ersehnten Welt – ein Karrieresprung und zugleich ein Neuanfang.
»Ich hatte gehörigen Respekt vor den großen Spielern, als ich mit meinen 20 Jahren, damals noch nicht mal volljährig, nach Dortmund kam. Der BVB war bis Mitte der 60er-Jahre das Aushängeschild des deutschen Fußballs, so etwas wie heutzutage der FC Bayern München. Die Borussia bestand zu dieser Zeit aus einem Team, vor dem alle anderen Mannschaften schon vor Anpfiff Schiss hatten, wenn sie nur die schwarz-gelben Hemden sahen. Im Stadion Rote Erde spielen zu müssen war für viele Mannschaften ein Albtraum. Für mich erfüllte sich ein Jungentraum. Ich erinnere mich noch, wie ich am ersten Tag auf dem Dortmunder Vereinsgelände in die Kabine zum Umziehen kam, und dann saß da der große Torhüter Heinz, genannt Heini, Kwiatkowski. Voller Ehrfurcht habe ich ihn mit ›Guten Tag, Herr Kwiatkowski‹ begrüßt. Für mich war das irre, ich kannte ja die ganzen großen Spieler, die 1963 Deutscher Meister geworden waren. All diese Namen, meine Helden: Tilkowski, Redder, Paul, Cyliax, Kurrat, Sturm, Emmerich, Wosab,
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