Wie ausgewechselt
auf frostigem Boden geübt oder auf roter Asche. Rasenheizungen in Stadien oder auf Trainingsplätzen sind unbekannt. Die medizinische Versorgung ist unterentwickelt. »Trocken bleiben«, lautet damals eine Regel – nach heutigen Erkenntnissen gesundheitsgefährdend. Einige Trainer lassen die Spieler beim Training kein Wasser trinken, damit sie Gewicht verlieren. Für Brexendorf, den Mannschaftskollegen Assauers bei Werder und späteren Sportmediziner, im Rückblick eine andere Welt: »Bei Borussia Dortmund wurde der einzige Masseur ›Einreiber‹ genannt. Von Physiotherapeuten, Ärzten oder Entmüdungsbecken keine Spur. Damals hatten wir bei Werder einen Masseur für die gesamte Mannschaft. Als junger Spieler lag ich das erste Mal nach zwei Jahren auf der Massagebank. Vorher hieß es: ›Spiel du erst mal ein paar Jahre, dann hast du es dir verdient, dann darfst du.‹ Es gab auch keinen festen Mannschaftsarzt. Passierte im Training etwas, ist man rasch in eine Praxis in der Stadt gefahren. Nur bei den Spielen war ein Arzt dabei.«
Im vierten Jahr Assauers bei Werder Bremen bleibt die Truppe von Piontek im Ligamittelmaß und zählt dauerhaft zu den sogenannten grauen Mäusen mit Kontakt zu den Abstiegskandidaten. Rang sechs in der Tabelle am ersten Spieltag der Saison 1973/74 ist schon das Maximum, es folgen sechs weitere Partien ohne Sieg. Im DFB-Pokal kommt das Aus schon im Achtelfinale. Den Bayern mit Maier, Beckenbauer, Schwarzenbeck, Breitner, Hoeneß und Müller ist die Mannschaft um Assauer nicht gewachsen – 1 : 2. Doch obwohl es kaum Erfolge zu feiern gibt, gelingt es Assauer als Kapitän, die Truppe bei Laune zu halten.
»Ich habe daher regelmäßig Mannschaftsabende organisiert. Wir haben uns jeden Montagabend nach Training und Saunagang im Gasthof Grothenn’s getroffen, weil das die einzige Kneipe mit König-Pilsener war, daran kann ich mich noch erinnern. Wir haben dort getrunken, gegessen, diskutiert und geflachst. Ohne Trainer, ohne Frauen. Da gab es gute Aussprachen, da wurde klar Tisch gemacht. Und wenn es bei uns nicht lief, wenn es persönliche Animositäten gab, dann haben wir gesagt: ›Komm, jetzt hauen wir uns mal alle einen in den Kopp und sprechen uns richtig aus.‹ Der Alkohol lockerte die Zunge, jeder konnte sagen, was ihm nicht passt. Ein reinigendes Gewitter half immer. Als wir einmal eine vierwöchige Testspieltour durch Nord- und Mittelamerika, durch die USA, Mexiko, Costa Rica und andere Länder gemacht haben, wollte ich auch da was auf die Beine stellen. Ich habe ein paar Dinge heimlich eingefädelt, und dann hieß es per Flüsterpost, SMS aufs Handy gab’s ja damals nicht: heute Abend um 22 Uhr geheimer Treffpunkt hinter dem Hotel, kein Wort zu den Trainern. Dort stand dann ein Bus, alle Mann rein und ab in eine Bar mit Livemusik und allem Schnickschnack. Irgendwann morgens um zwei oder drei Uhr ging es zurück. Herrliche Zeiten waren das.«
Assauer wird wegen seiner direkten und offenen Art geschätzt. Das imponiert Bernd Brexendorf noch heute: »Rudi war beides: ein Kumpeltyp, aber auch ein guter Anführer. Er konnte für die ganze Gruppe sprechen – in guten wie in schlechten Zeiten. Immer sehr klar und geradeaus gegenüber Mitspielern, Trainern, dem Präsidium und den Medien. Auch wenn etwas nicht populär war, hat er sich nie versteckt.« Während Höttges mit seinen 66 Länderspielen quasi der Alterspräsident ist, gibt Assauer den Anführer. »Rudi war einfach die Persönlichkeit bei uns, sehr wortgewandt. Er hat die Leute in seinen Bann ziehen können. Und sportlich war er ein guter Libero, sehr wertvoll für die Mannschaft. Durch seine Leistungen hat sich Assauer Respekt verdient«, erinnert sich Dieter Burdenski. »In diesen Zeiten haben junge Leute wie ich eine Hackordnung innerhalb einer Truppe ja noch anerkannt und die unangenehmen Jobs übernommen: etwa die Koffer tragen. Rudi war trotz Höttges die führende Figur der Truppe, den anderen immer einen Tick voraus.« Auch die Tatsache, dass Assauer schon als Spieler über den Tellerrand seines Profidaseins hinausgedacht hat, beeindruckte Brexendorf: »Als einer der wenigen Fußballer damals hat er sich um die Zeit nach der Karriere gekümmert. Assi hatte eine Immobilienfirma gegründet, mit Sitz an der Weser. Er war ein Netzwerker. Kein Wunder, dass sein Weg später in den Managerposten mündete.«
1974 beginnt das schwierigste Jahr für Assauer im Norden. Denn die Mannschaft kommt in der Saison 1974/75 über
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