Wie ausgewechselt
Verwunderung nimmt er dabei die Arbeitsmethoden und Restriktionen Wolffs zur Kenntnis, zum Teil erfährt er sie ja am eigenen Leib. Den Spielern wird beispielsweise sogar das kostenlose Mittagessen nach dem Training im Vereinsheim gestrichen. Als der jugoslawische Torhüter Dragan Ilic zum 1. FC Saarbrücken abzuspringen droht und sich zu Vertragsverhandlungen ins Saarland aufmacht, reist ihm Wolff hinterher und stellt ihn zur Rede. Er macht dem Torwart ein schlechtes Gewissen: »Dragan, dein Hund hat seit deiner Abreise nichts mehr gefressen. Du solltest dich mal besser um ihn kümmern.« Ilic kehrt daraufhin nach Bremen zurück und bleibt bei Werder.
Ein Lehrling von Wolff im klassischen Sinne ist Assauer aber nie. Dennoch erkennt der Geschäftsführer das organisatorische Talent des Spielers, sagt Mitte der 70er zu seinen Kollegen im Präsidium: »Wenn ich mal aufhöre, wäre der Assauer der geeignete Nachfolger.« Nun soll es also Assauer – gerade noch Libero, jetzt Jungmanager – richten. Man will das Alte hinter sich lassen, eine neue Ära einleiten, neue Wege gehen. Er soll den Verein wirtschaftlich wieder in die Spur bringen, Sponsoren an Land ziehen und die Mannschaft umbauen, damit sie ihren Spitznamen »Sphinx des Nordens« loswird. Gegen starke, meist besser besetzte und in der Liga positionierte Gegner gewinnen die Bremer häufig, gegen schwache Kontrahenten verlieren sie regelmäßig.
»Eines Tages holte mich Hans Wolff in sein Büro und fragte mich: ›Assi, willst du unseren Laden schmeißen? Traust du dir das zu? Wenn ja, dann machst du das ab sofort.‹ Ich habe geantwortet: ›Okay. Die Bedingungen stimmen. Es ist eine schöne Stadt, es sind nette Leute. Warum nicht? Mein Ziel wird es sein, den Verein wieder richtig nach oben zu bringen.‹ Eine spontane Entscheidung. Ich konnte ja damals nicht wissen, was das für mein weiteres Leben, für meinen gesamten Berufsweg bedeuten würde. Ich wusste, dass ich Spaß an der Aufgabe haben würde, aber ein wenig jugendlicher Leichtsinn war schon dabei. Aus meiner Sicht war die Zeit der Frühstücksdirektoren vorbei. Es brauchte einen, der anpackt. Einen Macher.«
Um sich trotz Bürotätigkeit weiter fit zu halten, trainiert Assauer unter Coach Hans Tilkowski mit, regelmäßig, meist ein- bis zweimal pro Woche. So bekommt er auch ein Gespür für den Coach, die Spieler und hautnah mit, was auf dem Platz und in der Kabine gesprochen wird. »So konnte er die Stimmung fühlen, spüren, was bei uns läuft. Der Bezug zum Team blieb«, erinnert sich Torwart Dieter Burdenski, »allerdings hatte sich natürlich etwas verändert. Assauer konnte nicht mehr der uneingeschränkte Kumpel in der Kabine sein. Als Spieler hat man sich mit gewissen Aussagen in Bezug auf den Trainer oder das Präsidium von diesem Zeitpunkt an natürlich zurückhalten müssen. Aber Assi hat das ganz locker und elegant hingekriegt. Wir haben weiter ein freundschaftliches Verhältnis gepflegt, ab und an gemeinsam etwas unternommen. Da hat es keine Rolle gespielt, dass er ab diesem Zeitpunkt mein Vorgesetzter war. Leider hat er mir nicht mehr Geld gegeben bei Gehaltsverhandlungen. Er war ein Mann der klaren Worte und hat sich an Abmachungen gehalten.«
» Der neue Job war für mich eine große Umstellung. Damals habe ich mich gefragt: Nützt es dir nun, dass du Mitte der 60er-Jahre als junger Spieler bei Borussia Dortmund eine Banklehre gemacht hast? Ich weiß es noch gut: Plötzlich saß ich dann da an einem Montagmorgen in meinem Büro auf der Werder-Geschäftsstelle am Schreibtisch und dachte: Watt machste jetzt? Im Grunde musste ich mir ja fast alles selbst beibringen. Learning by doing oder wie wir im Ruhrpott sagen: mit Aug und Ohr. «
Er legt also los. Für Werder Bremen will er ein Programm mit dem Titel »Fußball total« entwickeln, mit zahlreichen PR- und Werbeaktionen, aber auch Showeinlagen. »Rudi war für Werder einfach ein Glücksfall, ein neues Gesicht, das dem Verein neue Strukturen gegeben hat. Positiv war für ihn, dass er einigermaßen in Ruhe gelassen wurde«, erzählt Burdenski. »Die Arbeit eines Managers sah ja etwas anders aus in diesen Zeiten. Vor allem das Medienaufkommen war nicht so groß wie heutzutage, daher auch die Anforderungen, sich der Öffentlichkeit zu stellen und alle Schritte zu erklären, weniger dringend. Der Verein war zuvor mit den Investitionen in die Millionenelf an seine wirtschaftlichen Grenzen gegangen – und darüber hinaus. Sportlich war
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