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Wie ausgewechselt

Wie ausgewechselt

Titel: Wie ausgewechselt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudi Assauer , Patrick Strasser
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im Training schon mal ordentlich zur Sache – ein regelrechtes Revierverhalten. Da ich um meinen Platz nicht fürchtete, war ich es, der die beiden Dortmunder Jungs angespitzt hatte, nach Bremen zu wechseln. Der Grundgedanke der Vereinsführung aber war richtig. Werder wusste, dass zur kommenden Saison 1972/73 die Transferhöchstgrenze von 100 000 DM fallen, die Ablösesummen hochgesetzt werden sollten. Früher hatte ein Nationalspieler maximal 120 000 oder 150 000 Mark gekostet, wenig spä ter musste man für gute Spieler 500 000 oder 600 000 hinblättern. Deswegen hatte der Verein beschlossen, einkaufen zu gehen, bevor die festen Ablösen fallen. So konnten die einzelnen Spieler mehr verdienen. Ich denke, wir hatten damals durch unseren Präsidenten Dr. Franz Böhmert und seine Verbindungen zum DFB einige Vorteile, ebendiesen Wissensvorsprung. Das hat er clever ausgenutzt.«
    Auch wenn es bei einigen Transfers Komplikationen gibt. Willi Neuberger hatte 1971 im Abstand von mehreren Wochen beispielsweise gleich zwei Verträge unterschrieben – einen in Dortmund, einen in Bremen. Es kommt zum Rechtsstreit, den ein Richter in Dortmund entscheiden muss. Er macht das ganz einfach und fragt den Spieler Neuberger, für welchen Verein er künftig spielen möchte. »Werder kam später mit den besseren Perspektiven, da habe ich umgedacht«, sagt Neuberger im Rückblick, »aber das war nicht die feine Art von mir.«
    Unter den erhöhten Ausgaben, vor allem wegen der ungewöhnlich hohen Gehaltszahlungen, muss Werder noch Jahre später leiden – was auch Assauer noch zu spüren bekommen sollte. Doch der Erfolg, den Bremen hatte erzwingen wollen, tritt nicht ein. Das zusammengekaufte Starensemble passt einfach nicht zusammen. Nach acht Spieltagen steht Werder mit 8 : 8 Punkten nur auf Platz sieben der Tabelle. Das ist zu wenig für die Erwartungen rund um die Millionenelf. Vor allem weil Trainer Gebhardt sich stur stellt gegenüber den Neuverpflichtungen. Sein Credo lautet: »Bei mir zählen nicht die Namen, sondern nur die Leistungen.« Ungerührt lässt er daher in jedem Ligaspiel Nationalspieler auf der Ersatzbank sitzen. Am 29. September 1971 trennt man sich schließlich von Gebhardt, da er – so lauteten weitere Anklagepunkte – die Mannschaft psychologisch falsch betreut habe und der Vereinsführung nach schlicht zu altbacken trainieren ließ. Gebhardt ist damals 51 Jahre alt.
    In dieser Zeit bekommt Assauer erneut eine Lektion für seinen späteren Managerjob: Schwindeln für Einsteiger. Denn bei Gebhardts Entlassung lügt Geschäftsführer Wolff ebenso ungerührt wie schamlos die Reporter an. Noch am Morgen versichert er, dass niemand an einen Trainerwechsel denke. Nach der Verpflichtung von Nachfolger Willi Multhaup beteuert Wolff: »Ich erfuhr es zuletzt und bin in der Angelegenheit unschuldig wie ein neugeborenes Kind.«
    Multhaup, 68 Jahre alt, 1965 mit Werder Deutscher Meister, ist ein alter Bekannter. Er genießt jedoch schon seit drei Jahren den Ruhestand. Da er nicht »bis an die Friedhofsmauer trainieren« wollte, hatte er sich ins ­Privatleben zurückgezogen. »Ob es diesmal gutgeht, weiß ich nicht, denn ich habe zuletzt nur mit meinen Enkelkindern gespielt«, unkt das Essener Urgestein. Das rechte Bein zieht Multhaup nach, da er mit dem rechten Fuß seit einem Achillessehnenabriss drei Jahre zuvor nicht mehr richtig auftreten kann. Der gesamte Verein, selbst die Spieler, ermuntern den Ex­rentner, mittlerweile Großvater, zum Durchhalten.
    So trifft Assauer erneut auf den Coach, den er früher in Dortmund so oft geneckt hatte. Für den »Aushilfsjob« braucht der Trainer nicht mal einen Vertrag, aber natürlich »muss auch Butter bei’s Brot«, wie Multhaup im feinsten Ruhrpottdialekt betont. Seine zwei Säulen der Trainingslehre: Kondition und Spaß. »Bei mir werden die Lachmuskeln genauso massiert wie die Wadenmuskeln«, verspricht Multhaup, »aber die Jungs hier hatten offenbar nichts zu lachen. Aber ohne Freude kann man nicht siegen.«
    » Ach ja, unser Fischken. Der trug immer dieses Monokel und guckte einen damit streng an. In seiner Heimatstadt Essen besaß er zwei Geschäfte für Herrenmode. Daher war er immer modisch top gekleidet. Seinem Ruf als Schleifer im Training machte er alle Ehre. Multhaup ließ manchmal so hart malochen, dass einige Spieler sogar Verletzungen simulierten, um eine Trainingspause zu bekommen. Wie schon als Trainer beim BVB in Dortmund ließ er eine ganz spezielle Übung

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