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Wie ausgewechselt

Wie ausgewechselt

Titel: Wie ausgewechselt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudi Assauer , Patrick Strasser
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machen. Der Ball musste stets rasch zum eigenen Mann weitergeleitet werden – nach jedem Kontakt immer schneller. Das trichterte uns Multhaup knallhart ein: Er klatschte beim Training unentwegt in die Hände und schrie: ›Patsch, patsch!‹ Auf lange Sicht war Multhaup jedoch nur der Platzhalter für Sepp Piontek. «

    Der seit 1970 am Knie dauerverletzte Abwehrspieler soll in die Trainerrolle hineinwachsen. Nachdem Multhaup Piontek, der sich noch in seiner Trainerausbildung befindet, eingearbeitet hat, verlässt er den Verein wieder. Multhaups Bilanz: vier Spiele, zwei Siege, zwei Niederlagen. Am 25. Oktober übernimmt schließlich Piontek, damals erst 32 Jahre jung – und nur vier Jahre älter als Assauer. Nach 202 Bundesligaspielen besteht Piontek an der Trainerakademie in Köln als Jahrgangsbester die Prüfung. Schon während der Ausbildung sitzt er bei Werder Bremen als Spielertrainer auf der Bank. Im Juni wird er zum Dankeschön für seine Spielerkarriere noch einmal in einem Ligaspiel eingewechselt – seit 1969 sind weltweit zwei Auswechslungen pro Fußballspiel erlaubt. Für die letzten vier Spieltage und das DFB-Pokal-Halbfinale gegen Kaiserslautern stellt man ihm den erfahrenen Trainer Fritz Langner an die Seite. In der Liga reicht es dennoch nur zu Rang elf, und im Pokal scheitert man in Hin- und Rückspiel gegen Lautern jeweils mit 1 : 2. Langner, der den Beinamen » Eiserner Fritz « trägt und stolz darauf ist, als Feldwebel zu gelten, hat also vergeblich versucht, die Mannschaft zum Pokalsieg 1972 zu trimmen.
    »Fritz war einer der härtesten Trainer, die es gab. Er legte viel Wert auf Laufarbeit und Disziplin. Manchmal mussten wir im Training zehn bis 20 kernige 200-Meter-Spurts nacheinander machen – in vielen Fällen buchstäblich bis zum Erbrechen. Als wäre man bei der Bundeswehr. Aber er hatte auch viel Ahnung vom Fußball – und konnte im Gespräch ein richtiger Kumpeltyp sein. Nie hatte Werder einen Trainer, der so intensiv für den Fußball lebte. Deshalb habe ich ihn ja später zu meiner Managerzeit in Bremen verpflichtet – als Feuerwehrmann im Abstiegskampf.«
    In die Spielzeit 1972/73 geht Werder nur mehr mit dem Trainernovizen Sepp Piontek, der den Verein zum alten Glanz der Meisterschaft von 1965 führen soll. Unter ihm wird Assauer zum absoluten Stammspieler, absolviert alle 34 Saisonspiele. Als spektakuläre Neuverpflichtung wird Torhüter Dieter Burdenski von Arminia Bielefeld gekauft – für 320 000 DM statt der selbst für Nationalspieler üblichen 180 000 DM Ablöse. Die Bremer pendeln weiter unspektakulär zwischen Rang neun und 15, schaffen den Klassenerhalt als Tabellenelfter jedoch relativ bequem. Im DFB-Pokal erreichen sie erneut das Halbfinale, unterliegen diesmal aber Borussia Mönchengladbach in Hin- und Rückspiel deutlich.
    »Weil Piontek mit Spielern, die er nun trainierte, früher noch zusammengespielt hatte, war das für die Jungs in der Truppe nicht so einfach. Dennoch hat er es geschafft, die Kluft zwischen den Jungen und den Alten im Kader zu überwinden. Er war eine Persönlichkeit, die Spieler hatten Respekt vor ihm. Sepp und ich kamen gut miteinander aus, haben sehr professionell gearbeitet. Wichtig war, dass er die Sprache der Spieler sprach und nicht wie einige Altmeister dieser Zeit nur die Peitsche auspackte.
    Aus heutiger Sicht haben wir ja damals alles falsch gemacht, was Training, Ernährung und medizinische Versorgung betraf. Die heutige gute Pflege gab es nicht. Fußball lebte damals von Kraft und Kondition. Nach einem Spiel war es üblich, noch in der Kabine oder danach im Bus ein Bierchen zu zischen. Ein anderes Beispiel: Wenn am Samstag um 15.30 Uhr ein Bundesligaspiel war, kam mittags um zwölf Uhr ein Steak auf den Tisch – und wehe, wenn nicht. Dazu eine Cola. Jeder hat sich im Grunde ernährt, wie er wollte. In diesen Zeiten konnte man auch mal losziehen abends. Man wurde vielleicht erkannt, aber nicht behelligt – schon gar nicht in Bremen. Es gab keine Handyfotos, kein Internet. Nur an einigen Abenden hat der Trainer Kontrollanrufe gemacht, um zu sehen, ob man zu einer bestimmten Uhrzeit in den eigenen vier Wänden war. Aber als verheirateter Familienvater war ich meistens brav zu Hause, wenn die jungen Kerle in der Stadt auf die Rolle gegangen sind.«
    Assauer erlebt in Dortmund und Bremen, wie hart bis teils unbarmherzig das Training in den 60er- und 70er-Jahren sein kann – der Drill hat beinahe militärische Züge. Im Winter wird

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