Wie ausgewechselt
nach dem Pfostenbruch so einen Wind. Denn im Gladbacher Strafraum herrschte immer noch ein heilloses Durcheinander. Die Borussen wollten partout nicht helfen, die Zuschauer boykottierten die Bemühungen meiner Mitspieler, manche Platzordner wurden sogar handgreiflich. Ich schickte alle weg, und meine Kollegen schrien mich an: ›Assi, du bist verrückt! So ein Blödsinn.‹ Ich antwortete: ›Die schaffen das nie. Bleibt ruhig. Die haben keine Chance, wir bekommen die Punkte.‹ Ich habe heute noch im Ohr, wie Gladbachs Trainer Hennes Weisweiler immer gerufen hat: Reißt das Tor runter! Er glaubte auch daran, dass es ein Wiederholungsspiel geben würde. Das hat mich überrascht. Denn die Regel hätte er eigentlich kennen müssen. Also war ich am Ende nur noch Beobachter und habe mich kaputtgelacht, als die das Tor aufzubauen versuchten. Nach etwas mehr als einer Viertelstunde war Feierabend: Spielabbruch.«
Am 29. April 1971 wertet das DFB-Sportgericht das Spiel mit 2 : 0 Toren und Punkten für Werder Bremen. Die Begründung des Sportgerichts lautet knallhart: »Ein Bundesligaverein ist nun mal kein Dorfverein. Er hat dafür zu sorgen, dass in angemessener Frist ein zusammengebrochenes Tor wieder sachgemäß aufgestellt werden kann.« Nach der Urteilsverkündung ist wenig später auf einem Plakat eines Borussen-Fans zu lesen: »Der DFB hat uns bestohlen, den Titel werden wir trotzdem holen.« Trotz des Rückschlags im Meisterschaftskampf sichert sich die Mannschaft von Hennes Weisweiler am letzten Spieltag vor dem FC Bayern den Titel. Gladbachs Masseur Charly Stock ist so clever, sich den gebrochenen Torpfosten zu schnappen. Das Stück Holz wird im Borussia-Museum ausgestellt.
In Bremen will die Vereinsführung fortan ganz neue Wege gehen, da man sportlich in den zurückliegenden drei Jahren im Mittelmaß versunken war. Man setzt nicht mehr nur auf den Nachwuchs, sondern startet im Sommer 1971 eine für damalige Verhältnisse sündhaft teure Shoppingtour. Für rund zwei Millionen DM werden sieben Spieler gekauft, darunter vier Nationalspieler – und das trotz einer Viertelmillion DM Schulden. Ein Witz in Relation zu den Transfersummen heutiger Tage. »Werder soll mithilfe von Freunden und Gönnern wieder flüssig gemacht werden«, fordert Geschäftsführer Hans Wolff im Herbst 1971. Die Hansestadt Bremen, deren Bürgermeister Hans Koschnick Mitglied der Werder-Schachabteilung ist, lässt den Verein nicht im Stich und streicht Steuerschulden von mehr als 230 000 Mark, erlässt künftige Abgaben und beteiligt Werder an den Einnahmen aus der Stadionwerbung. Als äußeres Zeichen dienen neue Trikots in den Farben der Hansestadt Rot und Weiß mit dem Schlüssel der Stadt als Logo. Symbolträchtig, da sich ja die ortsansässige Wirtschaft und die Stadt selbst finanziell engagieren.
Der Umbau der Mannschaft hat jedoch kein klares Konzept und findet zum Teil ohne Absprache zwischen Trainer und Vereinsführung statt. Geholt werden können dank extrem hoher Gehaltsversprechen unter anderem sogar Nationalspieler wie Peter Dietrich und Pfostenbruchheld Herbert Laumen, beide von Borussia Mönchengladbach. Dazu kommen die Dortmunder Willi Neuberger und Werner Weist. Prominenter aber sind die Namen, die nicht in den Norden wechseln: Paul Breitner und Uli Hoeneß vom FC Bayern sind ein Thema, in ihrem Schlepptau hätte auch Trainer Udo Lattek verpflichtet werden sollen. Die Transfers scheinen auch machbar, doch Werders damaliger Geschäftsführer Hans Wolff will das Duo nicht. Ein Wechsel von Gladbachs Mittelfeldstar Günter Netzer dagegen steht kurz vor dem Abschluss, man einigt sich bereits mit dem Spieler. Nur ein Vertragspunkt fehlt noch: In Gladbach kümmerte sich Netzer nebenbei noch um die Stadionzeitung Fohlenecho . Und bei einem Wechsel will er für das damalige Stadionmagazin Werder-Echo verantwortlich sein, dieses komplett übernehmen. Doch die Leitung der Zeitschrift war Werders ehemaligem Spieler Klaus Matischak übertragen worden, und diese Entscheidung wird nicht rückgängig gemacht. Ein Jahr später wechselt Netzer daher für rund eine Million DM Ablöse nach Spanien zu Real Madrid.
»Unsere Truppe wurde damals Millionenelf genannt, Fans anderer Vereine benutzten es als Schimpfwort. Woher der Verein plötzlich das Geld hatte, fragte sich selbst Günter Netzer. Natürlich waren wir Spieler angesichts der vielen Einkäufe nicht begeistert. Denn durch die neuen Spieler erhöhte sich die Konkurrenz, da ging es
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