Wie ausgewechselt
Welt.
»Die Aufgabe hat mich damals sehr gereizt. Ich wusste: Bei Schalke konnte ich noch einiges bewegen, etwas gutmachen. Zudem wollte ich ein paar Dinge geraderücken, für die ich in meiner ersten Amtszeit niedergemacht wurde, obwohl ich es nicht zu verantworten hatte. Also stand Schalke auch mir gegenüber in der Pflicht. Und gerade weil ich für viele Schalker Fans ein rotes Tuch war, wollte ich den Job annehmen. Ich hatte gelernt, diplomatischer mit den Dingen umzugehen. In den 80er-Jahren etwa sagte ich, dass Schalke ein Sumpf sei, den ich mit dem Schaufelbagger trockenlegen müsse. Das sollte mir nicht mehr passieren, hatte ich mir bei meiner Rückkehr vorgenommen.«
In Gelsenkirchen erwartet man Assauers Rückkehr mit gemischten Gefühlen. Während Schatzmeister Rüdiger Höffken lobt, Assauer sei »eine starke Persönlichkeit und ein harter Mann«, steht auf einem Schalker Fanplakat während eines Bundesligaspiels gegen den 1. FC Saarbrücken im Frühjahr 1993: »Wenn Assauer kommt, gehen wir!«
Knapp drei Jahre hat Assauer in Oldenburg gewirkt, seine Arbeit fand jedoch nicht nur Bewunderung, dafür war der Abgang zu abrupt. Der Konflikt mit Sidka und die zunehmenden Auseinandersetzungen mit dem Präsidium, deren Meinungen zu sportlichen Dingen der oft sture Exprofi nicht akzeptierte, hatten für Misstöne gesorgt. Unterm Strich aber fiel das Fazit positiv aus. »Rudi Assauer hat Oldenburg in dieser Zeit zu einer Fußballstadt gemacht. Das war sein Motto und ein Begriff, den er geprägt hat«, bilanziert Expräsident Berster. »Er hat Sachverstand und Kompetenz in den Verein gebracht und verhalf dem VfL in der Fastaufstiegssaison zu insgesamt 8,5 Stunden TV-Präsenz.« Aus heutiger Sicht, da jedes Spiel bis zur Zweiten Liga im Pay-TV zu empfangen ist, eine lächerliche Zahl – für damalige Zeiten ein sensationelles Ergebnis.
Der VfB Oldenburg führt heutzutage ein tristes Dasein im Mittelfeld der Niedersachsen-Liga, in der fünfthöchsten Spielklasse. Die Heimspiele verfolgen im Schnitt nur noch rund 1000 Zuschauer, zu den besten Zeiten Anfang der 90er-Jahre kamen regelmäßig bis zu 10 000 Fans. Es war Rudi Assauer, der auch später stets Kontakt hielt zu seinen Mitstreitern aus dem Präsidium und für den klammen Verein zwei kostenlose Gastspiele des FC Schalke organisierte. Der Benefizkick im Juli 2001 trug zum Erhalt des damals mitten im Insolvenzverfahren stehenden VfB bei.
9. Meine wildesten Jahre bei Schalke
»Pott in der Hand, Meister im Herzen«
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»Telefon. Ich gehe ran. Die Stimme kenne ich doch. Günter Eichberg ist dran, der Schalke-Präsident. Er kommt schnell zum Punkt: ›Herr Assauer, wir brauchen Sie.‹ Er sagt mir, dass es Schwierigkeiten gebe. Schwierigkeiten? Nett formuliert. Schalke stand damals das Wasser bis zum Hals, hatte schlappe 20 Millionen DM Schulden. Der Lizenzentzug drohte, weil der DFB die Auflösung der Marketing-GmbH verlangte, die genau diese Summe an Miesen angehäuft hatte. Eichberg fragt mich, ob ich als Manager zurückkehren möchte. Einfach so, am Telefon. Ich sage zu – eine Bauchentscheidung. Sechs Jahre und drei Monate war ich weg und plötzlich wieder zurück. Als wären wir nie getrennt gewesen, Schalke und ich.«
Schalke 04 ist ein Magnet, dessen Herzstück die Fans sind. Für die Menschen im Revier war und ist der Fußball seit jeher mehr Selbstverwirklichung als in Hamburg, München oder Köln. Bergbau und Fußball, vereint in einer Welt: unter Tage, auf Schalke. Aus einem Phänomen erwächst eine Tradition, im deutschen Fußball einmalig. Königsblau ist »rauschhafter Jubel und Selbstmord, das reicht von selbstloser Hingabe bis zum Meineid«. Besser als Nordrhein-Westfalens Exkultusminister Jürgen Girgensohn kann man es nicht auf den Punkt bringen.
1904 wurde Schalke von Arbeitern im Gelsenkirchener Stadtteil Schalke gegründet. Damals bot der Verein den aus Nieder- und Oberschlesien zugezogenen Bergleuten Heimatersatz und Anschluss. Zwischen den Malochern und den Stars kam keine Distanz auf, auch nicht in den 30er-Jahren, als die Spielform des Schalker Kreisels ihre Geburtsstunde erlebte, ein legendäres, perfektes Kombinationsspiel, das von der Mannschaft um Ernst Kuzorra und Fritz Szepan ausgeübt wurde.
Sieben Meistertitel hat der Verein gewonnen, und ungezähltes Herzblut wurde vergossen. In einem Fragebogen einer Zeitschrift wird Assauer einmal gefragt: »Wem würden Sie einen
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