Wie ausgewechselt
mir, den Job anzutreten. Dabei hatten die Bremer in diesen Zeiten alles gemacht, um sich neue Fans zu backen. Da wurden extra Busse gechartert, um Leute aus Ostfriesland abzuholen und für ausgewählte Spiele ins Weserstadion zu karren. Es war eben eine Zeit, in der man ohne große TV-Verträge und Sponsoren noch um jeden einzelnen Fan kämpfte.«
Die Oldenburger buhlen um Assauer – und kommen dem damals 46-Jährigen ein wenig entgegen, was seine finanzielle Situation betrifft. »Die Vertragsverhandlungen mit ihm waren ganz einfach«, erinnert sich Klaus Berster, der damalige Präsident des Vereins, im Hauptberuf Fabrikant. Er gerät heute noch ins Schwärmen, wenn er hinzufügt: »Rudi hat nie groß etwas gefordert, hat nie stur auf einer bestimmten Sache bestanden. Er war ein angenehmer Verhandlungspartner, eine Seele von Mensch.«
Plötzlich ist Assauer zurück im Geschäft. Er und Sidka, die beiden Ex-Bremer, führen nun den Laden VfB. Während in Italien die WM 1990 läuft, feiert man in Oldenburg »den zweiten Coup nach dem Aufstieg in die Zweite Liga«, so Berster damals. Dennoch warnt er: »Wir setzen uns mit Rudi Assauer einen großen Hut auf. Einen großen Hut brauchen wir aber auch, und den bekommen wir nicht von der Stange. Halbe Sachen passen eben nicht.« Und Assauer ist eine ganze Sache.
Mit großem Elan geht er an die neue Herausforderung heran – umso ernüchternder fällt für ihn der Moment aus, als er sein künftiges Büro erstmals betritt. In der Nähe des Stadions Donnerschweer stellt ihm der VfB ein kleines Zimmer zur Verfügung, ein Kabuff von ein paar Quadratmetern, aber wenigstens mit Fenster. Nach und nach gestaltet sich Assauer das Zimmer wohnlich. Ein Mitarbeiter oder eine Sekretärin zur Unterstützung sind nicht drin. Immerhin: Nicht weit, ein paar Meter die Straße herunter, gibt es mit Pane Vino einen vorzüglicher Italiener. Die meisten Gespräche und Verhandlungen verlegt Assauer daher an den offenen Pizzaofen. Und abends setzt er sich ins Auto Richtung Bremen, er wird Berufspendler. Die Aufgabe macht ihm Spaß, für manchen Blödsinn ist er immer zu haben.
»Vor allem die Auswärtsfahrten mit der Anreise am Vorabend hatten es in sich. Wir haben immer Skat im Hotel gespielt, da war ich nicht der Schlechteste, nur der Klaus Baumgart war noch gerissener – und besser. Einmal saßen wir lange im Restaurant eines Hotels in St. Pauli zusammen. Ich erinnere mich noch, wie in Griffweite unseres Tisches der Wagen mit den ganzen Schnapsflaschen stand. Sehr gefährlich – aber eher für die Kellner und den Restaurantbesitzer. Wenn keiner hingeschaut hat, haben wir immer mal wieder kurz an den Flaschen genippt, sie dann wieder zugeschraubt und zurückgestellt. So hatten wir an dem Abend ’ne Menge kostenlose Drinks, ist niemandem aufgefallen. Richtig feucht-fröhlich ging es auch während einer Party im Seehotel Fährhaus zu. Der Hotelbesitzer Hansi Brinkmeyer hatte Mannschaft, Betreuer und Trainer zu einer Schiffsfahrt auf dem Bad Zwischenahner Meer eingeladen. Es wurde reichlich gegessen und getrunken. In seinem Übermut sagte Baumgart plötzlich zu mir: ›Assi, wenn du jetzt in vollen Klamotten ins Wasser springst, bekommst du 500 DM.‹ Ich sprang, klar doch. Nichts hatte ich ausgezogen. Ein schöner Gag, eine hübsche Summe. Noch aus dem Wasser rief ich Klaus zu: ›Und wenn jetzt du reinspringst, zahle ich dir 1000 DM.‹ Auch Baumgart sprang. Das hat der sich nicht nehmen lassen, der machte jeden Spaß mit. Doch dann gab es ein Problem. Natürlich konnte er schwimmen, aber 120 Kilo Körpergewicht lassen sich nicht so leicht aus dem Wasser ziehen, und die Klamotten machten ihn noch schwerer. Das war nicht so ohne. Auf dem Anlegersteg sind wir uns dann triefend nass, aber glücklich in die Arme gefallen.«
Assauers erste Amtshandlungen als Neumanager: Klinkenputzen für Neuverpflichtungen. Er stellt Kontakte her zu großen Firmen wie Becks oder Rügenwalder Mühle mit der berühmten Teewurst. Er holt Ex-DDR-Nationalspieler Wolfgang Steinbach vom 1. FC Magdeburg, der eigentlich seine Karriere beenden wollte, dazu Thomas Gerstner vom FC Homburg, Mikhail Rusyaev von Alemannia Aachen und als Schlüsseltransfer Torjäger Radek Drulak aus dem tschechischen Olmütz. Ein Quantensprung – auch ein neues, standesgemäßeres Büro wird zu seiner Freude angemietet. Mit Sidka als Spielertrainer, der immerhin noch 17 Spiele in dieser Saison macht und dabei einen Treffer erzielt, pendelt
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