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Wie ausgewechselt

Wie ausgewechselt

Titel: Wie ausgewechselt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudi Assauer , Patrick Strasser
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der VfB zwischen Platz neun und zwölf und wird am Ende der Spielzeit im Juni 1991 Zwölfter. Eine Saison der Konsolidierung, die allerdings überlagert ist von einem ganz heiklen Thema: Das berühmt-berüchtigte Donnerschweer-Stadion, wegen seiner engen und hitzigen Atmosphäre als »Hölle des Nordens« gefürchtet, ist nicht mehr zeitgemäß, völlig veraltet. Der Umzug ins städtische Marschwegstadion, eine eher stimmungsarme Leichtathletikarena, wird kontrovers diskutiert, muss letztlich aber sein. Die Pläne dafür liegen schon lange in der Schublade – doch Assauer forciert sie gemeinsam mit dem ehrenamtlich tätigen Präsidium und wird dafür kritisiert. Weil die Schulden des Vereins mittlerweile rund 1,3 Millionen DM betragen, muss der VfL Oldenburg das Donnerschweer-Stadion zwangsverkaufen. Immerhin: Dank der 2,8 Millionen DM Einnahme ist man so auf einen Schlag schuldenfrei. Ein Großprojekt als Schritt in die Zukunft, wichtiger waren und sind Assauer jedoch stets die kleinen Leute.
    »Ich weiß noch, wie eines Tages während eines Spiels in unserem Stadion ein leicht angetrunkener VfB-Fan über den Zaun aufs Spielfeld geklettert war. Er sollte dafür Stadionverbot bekommen. Ich bin extra zur Verhandlung gefahren und habe den zuständigen Herren gesagt: ›Das geht nicht, sie würden dem Mann damit sein Leben nehmen – erlassen Sie ihm bitte die Strafe.‹ Es hat geklappt. Danach haben wir ihm in der ersten Zeit während der Spiele einen Aufpasser zur Seite gestellt. Aber er hatte seine Lektion gelernt und hielt sich fortan an die Regeln.«
    Die sportlichen Erfolge verdrängen den unter den Fans umstrittenen, aber vollzogenen Stadionumzug. In der Saison 1991/92, der zweiten des Gespanns Assauer/Sidka, als die Vereinigung von West und Ost in der Zweiten Liga zu einer Spaltung in Nord und Süd geführt hatte, setzt sich der VfB Oldenburg in der Nordstaffel überraschend in der Spitzengruppe fest. Man hangelt sich konstant nach oben, Platz zehn ist die schlechteste Platzierung der Spielzeit, zwischendrin feiert man ein aufsehenerregendes 5 : 0 gegen Hannover 96. Es läuft so gut, dass Baumgart witzelt, man könne auch »unseren Busfahrer oder Masseur mitspielen lassen – wir würden trotzdem gewinnen«. Bis zum letzten Spieltag bleibt der VfB im Rennen um den Aufstieg in die Bundesliga. Für die Oldenburger geht es zum SV Meppen. Ein Sieg vorausgesetzt, bedeutet eine gleichzeitige Niederlage von Bayer Uerdingen den erstmaligen Bundesligaaufstieg. Es setzt ein vor und danach in der Vereinsgeschichte nie mehr da gewesener Fankonvoi Richtung Emsland ein. Rund 6000 Anhänger fahren die etwa 100 Kilometer nach Meppen. Manager Assauer steht kurz vor der Krönung seines Schaffens in Oldenburg. Die Sidka-Elf gewinnt tatsächlich mit 2 : 0, doch Uerdingen rettet sich mit einem 0 : 0 beim FC St. Pauli ins Ziel und steigt auf. Immerhin kommen zur trotzigen Nichtaufstiegsparty im Zentrum Oldenburgs rund 8000 Fans. Dennoch: Der verpasste Aufstieg ist ein Turning Point – von da an geht es bergab.
    »Die schlimmsten Hämmer in der Zeit aber waren weder Niederlagen noch der verpasste Aufstieg. Da war der Autounfall unseres Mittelfeldspielers Thomas Gerstner, bei dem er Frau und Kind verlor. Eine größere Tragödie kann man sich im Grunde nicht vorstellen. Wir sind mit der gesamten Mannschaft zur Beerdigung nach Mainz gefahren, um Thomas zu zeigen, dass wir bei ihm sind und zu ihm stehen. Das waren ganz schwere Momente. Natürlich hat er auch finanzielle Hilfe bekommen.
    Komplett unter Schock standen wir, als unser Torjäger Jerzy Hawrylewicz, der seit Januar 1988 für den VfB spielte, in einem Match der Zweiten Mannschaft einen Herzinfarkt erlitt. Jerzy musste von Trainer Klaus-Peter Nemet reanimiert werden. Das war im April 1992, der Kerl war 33. Jerzys Gehirn wurde bei dem Herzstillstand für wenige Minuten mit Sauerstoff unterversorgt und nahm dadurch großen Schaden, woraufhin er sein Leben lang am Apallischen Syndrom litt. Er war im Wachkoma gefangen. Ich kümmerte mich darum, dass die Familie mit seiner Frau Ewa und den drei Kindern genügend Geld von der Versicherung bekam. 1995 wurde Jerzy aus der Reha-Klinik entlassen und von seiner Frau zu Hause gepflegt – bis zu seinem Tod am 13. Februar 2009. Beinahe 17 Jahre lang lag er im Wachkoma. Es war schrecklich, sich derart machtlos zu fühlen, wenn man so eine hilflose Person sieht. Da rückt alles, jeder Sieg, jeder Auf- oder Abstieg, einfach alles in den

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