Wie ausgewechselt
Tabellendritter zieht man dann zum ersten Mal seit 19 Jahren in den UEFA-Cup ein. Für Assauer bedeutet dies die Rückkehr auf die internationale Bühne nach beinahe 30 Jahren, seit seiner Zeit als Spieler bei Borussia Dortmund.
In der Führungsetage erlebt Assauer erneut turbulente Zeiten. Die auf Eichberg folgenden Präsidenten Helmut Kremers und Bernd Tönnies sind jeweils nur kurze Zeit im Amt. Tönnies muss sich im April 1994, nur wenige Wochen nach seiner Wahl, einer Nierentransplantation unterziehen und stirbt im Juli an den Folgen einer Lungeninfektion. Im September wird daher Exprofi Helmut Kremers auf einer für Schalke typischen, weil emotional und chaotischen Mitgliederversammlung kurzerhand zum Präsidenten gewählt, weil er einen massentauglichen Satz am Rednerpult spricht: »Gegen Dortmund mussten wir uns doch früher nicht mal umziehen. « Kremers entlässt Assauer, beachtet die Satzung jedoch nicht und muss ihn nur einen Tag später wieder einstellen. Assauer hat seine Macht nun endgültig zementiert. Schon im Dezember muss Kremers seinen Posten wieder räumen. Mit Gerd Rehberg wird am 12. Dezember 1994 ein Mann Vorstandsvorsitzender, der keinen Wert mehr darauf legt, ständig in der Zeitung zu stehen. Er steht lieber für Kontinuität.
Die Saison 1996/97 sollte eine historische werden auf Schalke. Dieses Jahr sollte alles verändern, einen nie da gewesenen Entwicklungsschritt in der Vereinsgeschichte markieren. Zunächst deutet jedoch nichts darauf hin, als Assauer dem Kader nach und nach ein Beneluxgesicht verpasst. Von Standard Lüttich kommt der Belgier Marc Wilmots, der sich den Spitznamen »Kampfschwein« erarbeitet und einer der Publikumslieblinge wird. Von Roda Kerkrade holt der Manager die beiden Niederländer Marco van Hoogdalem und Johan de Kock. Insgesamt gibt Assauer drei Millionen Euro aus. Auf die hohen Erwartungen folgt jedoch eine hohe Niederlage: 0 : 4 beim VfB Stuttgart. Nach dem ersten Spieltag ist Schalke Letzter. Bis zur fünften Runde dauert es, dann kann Jörg Berger den ersten Saisonsieg feiern: ein mühsames 1 : 0 bei Reviernachbar MSV Duisburg. Im UEFA-Pokal wird den Königsblauen ausgerechnet Kerkrade zugelost. Doch Schalke gewinnt ohne Probleme 3 : 0, im Rückspiel in den Niederlanden reicht ein 2 : 2 für den Einzug in die zweite Runde.
»Ich ging in Kerkrade zur Pressekonferenz und erlebte den gegnerischen Trainer Huub Stevens, der nach dem Ausscheiden seiner Mannschaft richtig sauer und übel gelaunt war. Als ihm eine Frage eines Journalisten nicht passte, weil er glaubte, dazu schon etwas gesagt zu haben, wurde er pampig und raunzte den Mann an: ›Hörst du schlecht?‹ Das amüsierte mich, dieser Typ hatte Leidenschaft. Ich stand in seiner Nähe und sah das Feuer in seinen Augen. Plötzlich erinnerte ich mich wieder an unsere erste Begegnung.«
Das war im Sommer 1995, als der FC Schalke ein Freundschaftsturnier mit Köln, Frankfurt, Schalke und Gastgeber Roda JC Kerkrade im Stadion Kaalheide bestreitet. »Es war bullig heiß an diesem Tag«, erinnert sich Huub Stevens. »Als die Mannschaften sich aufwärmten, lief dieser Herr Assauer im feinen Anzug einfach auf dem Platz herum, überall, mitten zwischen den Spielern. Und ich dachte, ich sehe nicht recht, dieser Mann hatte doch tatsächlich eine Zigarre im Mund. Das darf doch nicht wahr sein! Die Spieler mussten durch den Zigarrenrauch laufen.«
»Weil es so schwül war, lief dieser komische Holländer in kurzen Hosen herum und sonnte sich. Zwischendrin feuerte er seine Spieler beim Warm-up an. Danach saß dieser Stevens tatsächlich in kurzer Hose auf der Trainerbank.«
Die beiden verlieren sich aus den Augen, doch nicht aus dem Sinn. Unmittelbar nach den UEFA-Cup-Spielen gegen Kerkrade im Herbst 1996 unterliegt Schalke in der Bundesliga gegen Leverkusen 1 : 2 und scheidet drei Tage später im DFB-Pokal nach einem 2 : 3 gegen Bochum aus. Diese zwei Heimpleiten und der Absturz in der Liga auf Rang 12 markieren das Ende der Ära Berger. Der ehemalige DDR-Auswahltrainer wird von Assauer am 3. Oktober 1996 nach 99 Bundesligapartien entlassen. Die Fans sind außer sich und attackieren den Manager. Natürlich hatten sie nichts mitbekommen von der stetig wachsenden Kluft zwischen Coach und Mannschaft. »Alle Fans und wir Journalisten waren total überrascht und regelrecht geschockt von dieser Nachricht«, erinnert sich Reporter Werner Hansch, damals bei Sat.1 Kommentator, und erklärt: »Mit Berger sind die Schalker
Weitere Kostenlose Bücher