Wie Blüten im Wind: Roman (German Edition)
Pflegefamilien aufwächst.«
»Falls Zach das Baby nicht will?«, wiederholte Jude ungläubig. »Er ist achtzehn, Herrgott noch mal! Er kann noch nicht mal selbständig seine Wäsche waschen.«
»Sie hasste es, bei Fremden aufzuwachsen«, sagte Zach leise.
Scot nickte. »Das will sie ihrem Baby nicht antun.«
Jude begriff das Ganze nicht. Sie spürte eine Unterströmung, einen Strudel, sah aber nicht, woher er kam. »Ich brauche einen Stift«, erklärte sie knapp.
»Judith«, sagte Miles mit seiner vernünftigen Stimme – die bedeutete, dass sie gemein war oder gehässig oder was auch immer. Ihr war das vollkommen egal. Sie hatte seine ewige Vernunft so satt! Der Schmerz in ihrem Inneren war unerträglich und alles verzehrend. Es kostete sie ihre gesamte Kraft, nicht vor Qual zu schreien. »Wir reden hier über unser Enkelkind. Das können wir nicht so leichtfertig abtun.«
»Du meinst, ich würde das leichtfertig abtun?« Jude starrte ihren Mann an. In diesem Augenblick hasste sie ihn so wie noch keinen Menschen zuvor. »Glaubst du nicht, es zerreißt mich innerlich? Glaubst du nicht, ich hätte mich auf mein erstes Enkelkind gefreut? Aber so nicht, Miles. Ein Kind von dem Mädchen, das unsere Mia getötet hat? Nein, auf gar keinen Fall …«
»Stopp«, sagte Zach laut.
Jude hatte vergessen, dass er überhaupt da war. »Es tut mir leid, Zach. Ich weiß, es ist schrecklich, tragisch sogar, aber du musst jetzt auf mich hören.«
»Mein ganzes Leben hab ich nichts anderes getan, als auf dich zu hören«, entgegnete Zach.
In seiner Stimme lag ein solcher Zorn, dass sie unwillkürlich einen Schritt zurücktrat. »W … was sagst du da, Zach?«
»Es ist mein Kind«, erwiderte Zach entschieden. »Meins und Lexis. Ich kann es nicht einfach so abgeben. Wie kannst du das von mir verlangen?«
Jude spürte, wie der Boden sich unter ihr auftat, und plötzlich fiel sie ins Nichts. In einem einzigen Augenblick sah sie sein ganzes Leben vor sich: ohne Abschluss, ohne anständigen Job, ohne einen Neuanfang mit dem richtigen Mädchen. Und damit verschwand ihre letzte, verzweifelte Hoffnung, dass er sich eines Tages wieder aufrappeln und glücklich sein würde.
»Ich werde Vater«, erklärte Zach. »Ich schmeiß das College und komme nach Hause.«
Jude stockte der Atem. Wie war das möglich? »Zach«, flehte sie, »denk doch an deine Zukunft …«
»Es ist entschieden, Mom«, sagte er. »Werdet ihr mir helfen?«
»Natürlich«, antwortete Miles. »Du kannst weiter aufs College gehen. Wir finden schon eine Möglichkeit.«
Scot räusperte sich. Die drei sahen ihn an. »Lexi hatte gedacht, dass Zach so empfinden würde … oder zumindest gehofft. Jedenfalls bat sie mich auch, alle Unterlagen für das Sorgerecht zusammenzustellen. Sie möchte, dass Zach das volle Sorgerecht erhält. Nur zwei Bitten hat sie. Ihr Kind soll nicht erfahren, dass sie im Gefängnis ist. Niemals. Sie hat sogar vorgeschlagen, dass man ihm sagt, sie wäre … gestorben.« Er hielt inne und sah Zach an. »Und sie möchte Ihnen das Baby persönlich geben, Zach. Nur Ihnen. Also werden Sie bei der Geburt im Krankenhaus sein müssen.«
Jude machte auf dem Absatz kehrt und verließ den Raum. Oben nahm sie drei – nein, vier – Schlaftabletten und kroch ins Bett. Während sie zitternd dalag und betete, dass die Tabletten wirkten, versuchte sie, an das Kind zu denken, an ihr Enkelkind; sie versuchte, sich eine kleine Version von Mia vorzustellen, mit seidig hellem Haar und großen grünen Augen.
Wie sollte sie je ein solches Kind ansehen und etwas anderes empfinden als ihren Verlust?
Als die erste Wehe kam, war Lexi gerade in der Gefängnis-Cafeteria. Sie packte Tamicas Hand und drückte sie fest.
»O mein Gott«, sagte sie, als sie vorbei war. »So wird das also?«
»Nein, noch schlimmer.« Tamica führte sie durch die überfüllte Cafeteria zu einer der Wärterinnen an der Tür. »Das Mädchen hat Wehen.«
Die Beamtin nickte, meldete die Neuigkeit über Funk und befahl ihnen dann, zurück in ihre Zelle zu gehen. »Jemand wird Sie abholen, Baill.«
Lexi ließ sich zu ihrer Zelle führen. Dort rollte sie sich auf Tamicas Pritsche zusammen und stand die wachsenden Schmerzen durch. Tamica strich ihr übers Haar und erzählte belanglose Geschichten aus ihrem Leben. Lexi versuchte, höflich zu sein und zuzuhören, aber die Wehen kamen jetzt immer öfter und heftiger.
»Ich … halt … das … nicht … aus. Wie kann man das
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