Wie Blüten im Wind: Roman (German Edition)
Wehen, die sie gerade durchgestanden hatte. Er war hochgewachsen, größer, als sie ihn in Erinnerung hatte, und breitschultrig. Sein weizenblondes Haar fiel ihm in die Augen. Sie wusste noch, wie sehr er das gehasst hatte und wie sie es immer lachend zur Seite gestrichen hatte, wenn er sich zu ihr beugte, um sie zu küssen.
Sie liebte ihn so sehr. Diese Liebe steckte ihr nicht nur im Blut, sie war ihr Blut, ihr Lebenssaft. Sie wusste nicht, ob die anderen recht hatten mit der Behauptung, ihre Liebe würde eines Tages wie ein altes Foto verblassen – woher auch? Sie wusste nur, dass ihre Liebe zu ihm das Beste von ihr war. Und ohne diese Liebe würde ihr Herz leer.
Mit unsicherem Blick kam er näher.
Sie war froh, ihre Tochter im Arm zu halten, denn sonst hätte sie ihn berührt. Sie hätte sich nicht bezwingen können.
Jetzt, da er näher kam, sah sie die Narbe an seinem Kieferknochen. Die knittrige Haut war genauso rosa wie ihr Baby. Vielleicht würde sie bald verschwunden oder fast unsichtbar sein, aber jetzt war sie da, eine deutliche Spur ihrer Tat.
»Hi, Zach.« Sie hörte das Zittern in ihrer Stimme.
Er holte Luft und sagte ihren Namen, und da endlich kam der Schmerz. Seine Stimme erinnerte sie an die Nächte am Strand, an Küsse, die nie enden wollten. An Träume und Zukunftspläne.
»Sie sieht genauso aus wie Mia«, sagte er, und mit einem Mal stand die Vergangenheit wieder zwischen ihnen und griff nach dem Versprechen der Zukunft in ihren Armen.
Lexi wollte ihn um Verzeihung bitten, hielt sich aber zurück. Es hatte keinen Sinn mehr. Diese Zeiten waren vorbei. Hier ging es um etwas anderes. Um jemand anderen. »Ich würde sie Grace nennen«, sagte Lexi und wischte sich über die Augen. »Wenn ich entscheiden dürfte.«
»Du bist ihre Mutter«, erwiderte Zach.
Ihre Mutter. Lexi wusste nicht, was sie sagen sollte, also schwieg sie.
»Ich dachte, du wolltest sie … ich dachte, dir gefiele Katya.«
Sie holte erstaunt Luft. Er erinnerte sich also. Ihr kam es vor, als wäre es eine Ewigkeit her, dass sie sich darüber unterhalten hatten – zwei Kinder, die dachten, Liebe sei etwas Einfaches. Sie waren an ihrem Strand gewesen und hatten schillernde Zukunftspläne geschmiedet. »Meine Freundin … Tamica ist Katholikin. Sie sagt, wenn Gott dir verzeiht, gewährt er dir Gnade – auf Englisch Grace .« Sie blickte hinunter auf ihre Tochter. »Gracie? Bist du das?«
Als das Baby daraufhin wimmerte, brach Lexi in Tränen aus. »Wein doch nicht, Baby.« Sie küsste es auf seine winzigen rosafarbenen Lippen.
Dann sah sie zu Zach auf. »Sag ihr, ich liebte sie so sehr, dass ich das Beste für sie wollte.«
»Ich bringe sie dir zu Besuch …«
»Nein.« Sie küsste ihre Tochter ein letztes Mal, dann reichte sie sie langsam, ganz langsam Zach. »Ich will nicht, dass sie so aufwächst wie ich. Halt sie von mir fern.«
Er nahm das kleine Bündel in seine Arme. »Grace«, sagte er. »Grace Mia Farraday.«
Lexi spürte, wie der Schmerz in ihr sich rührte. »Ich liebe dich, Gracie«, flüsterte sie und wünschte schon, sie hätte ihre Tochter noch einmal mehr geküsst, bevor sie sie abgab. »Und Zach, ich …«
Es klopfte an der Tür, so laut, dass Lexi erschrak.
»Das wird Mom sein«, erklärte Zach. »Was wolltest du sagen?«
Lexi schüttelte den Kopf. »Ist nicht so wichtig.«
Er zögerte und wandte den Blick vom Baby zu Lexi. »Ich hab alles kaputtgemacht«, sagte er leise.
Ihr versagte die Stimme. So konnte sie sich nicht mal von ihrer Tochter verabschieden oder von dem Jungen, den sie liebte.
Jude hatte versucht, sich zu wappnen. Das wird es sein , hatte sie sich eingeredet, der Neuanfang, der Anfang einer neuen Jude. Als Zach also mit einem rosafarbenen Bündel und schimmernden Augen aus Lexis Krankenzimmer kam, spürte Jude Hoffnung in sich aufsteigen.
»Grace Mia Farraday«, verkündete Zach.
»Einfach hinreißend«, sagte Miles, trat zu seinem Sohn und barg das Köpfchen des Babys in seinen feingliedrigen Chirurgenhänden.
Jude blickte in das Gesicht ihrer Enkeltochter, und plötzlich schien die Uhr zurückgedreht.
Für eine Sekunde war sie wieder eine junge Mutter mit Zwillingen in den Armen und Miles an ihrer Seite.
Grace sah genauso aus wie Mia.
Dieselben bogenförmigen Lippen, dieselben trübblauen Augen, die später grün werden würden, dasselbe spitze Kinn und die weißblonden Wimpern. Instinktiv wich Jude zurück.
»Mom?«, fragte Zach und sah sie an. »Willst du sie mal
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