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Wie Blüten im Wind: Roman (German Edition)

Wie Blüten im Wind: Roman (German Edition)

Titel: Wie Blüten im Wind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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sie ein Anflug von Panik. Allein die Vorstellung, sich anderen Menschen zu stellen und so zu tun, als käme sie langsam über ihren Verlust hinweg, schnürte ihr die Kehle zu.
    Miles nahm sie bei der Hand und führte sie den Flur hinunter zur Haustür.
    Auf der Frontveranda standen Molly und Tim und lächelten sie etwas zu strahlend an. Sie brachten etwas zu essen mit und ihre Kinder, die sich hinter ihnen scharten. Allerdings war die Kühltruhe schon voll mit Mahlzeiten, die die Leute ihnen nach dem Unfall gebracht hatten. Jude konnte keinen Bissen davon essen. Allein schon beim Anblick von Alufolie wurde ihr übel.
    »Hey, Leute«, begrüßte Miles sie und trat beiseite, um sie einzulassen. »Schön, euch zu sehen.«
    Jude jedoch begrüßte sie nicht, sondern verschränkte die Arme und starrte hinaus auf ihren Garten.
    Dort wucherte überall Unkraut. Ihre einst so geliebten Pflanzen schienen übereinanderzuklettern, nur um ihren zu eng gewordenen Beeten zu entfliehen.
    »Jude?«
    Blinzelnd bemerkte Jude, dass Molly neben ihr stand. Hatte sie etwas gesagt? »Tut mir leid«, murmelte sie. »Ich war kurz abwesend. Was hast du gesagt?«
    Molly und Miles wechselten einen besorgten Blick.
    »Komm, Süße.« Molly legte den Arm um sie.
    Willig ließ sich Jude von ihrer Freundin ins Wohnzimmer bringen, wo über dem Kamin ein Spruchband mit der Aufschrift Viel Glück, Zach gespannt war. Miles schaltete die Stereoanlage ein, doch schon beim ersten Song – Sheryl Crows »The first cut is the deepest« – schaltete er sie wieder aus und machte stattdessen den Fernseher an. Football mit den Seahawks.
    Nacheinander trudelten auch Zachs Freunde ein und bevölkerten das Haus. Diese Jungen und Mädchen kannte Jude schon so lange, die meisten seit dem Kindergarten. Sie hatte ihnen zu essen gegeben, sie chauffiert und ihnen manchmal sogar Ratschläge erteilt. Jetzt waren sie, genau wie Zach, bereit, ihre sichere Insel zu verlassen und aufs College zu gehen.
    Nur eine nicht.
    Miles trat zu Jude und fasste sie am Arm. »Kommt er nicht runter?«
    Jude blickte zu ihm auf und sah, dass er dasselbe dachte wie sie: Früher wäre Zach niemals zu spät zu seiner eigenen Party gekommen. »Er hat gesagt, er kommt. Ich gehe ihn holen«, erklärte sie.
    Sie nickte noch einmal und setzte sich in Bewegung, bemerkte dann aber, dass sie Molly einfach hatte stehen gelassen. Sie hätte sich entschuldigen sollen.
    Allerdings fiel es ihr in letzter Zeit schwer, an derlei Dinge zu denken.
    Vor Zachs geschlossener Zimmertür griff sie in ihre Hosentasche und holte ein Aspirin heraus. Die hatte sie jetzt ständig dabei. Sie zerkaute die Tablette. Der schreckliche Geschmack half ihr ein bisschen.
    Dann klopfte sie an die Tür.
    Da keine Reaktion kam, klopfte sie lauter und sagte: »Ich komme jetzt rein.«
    Zach saß mit Kopfhörern zusammengesunken vor seiner Spielkonsole und fuchtelte mit seinem Controller wie ein Kampfpilot mit der Flugzeugsteuerung. Auf dem Bildschirm vor ihm rollte ein bemerkenswert realistisch wirkender Panzer ununterbrochen feuernd einen kahlen Hügel hinunter.
    Sie berührte Zachs Kopf und kratzte ihn leicht.
    Als er ihn gegen ihre Hand drückte, fragte sie sich, wie lange sie ihn schon nicht mehr berührt hatte. Doch diese Berührung ließ ihren Verlust, ihre Trauer, ihre Schuld wiederaufleben. »Was machst du?«
    »Ich versuche, das Level zu schaffen.«
    »Deine Freunde sind hier … um sich von dir zu verabschieden«, sagte sie nach einer Weile.
    »Ja«, seufzte er.
    »Komm«, bat sie.
    Schweigend gingen sie zusammen hinunter.
    Als sie den Wohnbereich betraten, herrschte einen Moment lang unbehagliche Stille. Wie konnte man jetzt überhaupt feiern? Dann kamen Zachs Freunde mit verlegenem Lächeln zu ihm und sprachen ihn leise an.
    Jude hielt sich im Hintergrund. Sie bemühte sich mit ganzer Kraft, präsent zu sein, in diesem für ihren Sohn so bedeutsamen Augenblick zu bleiben, aber es tat unendlich weh. Damit hätte sie rechnen müssen, sie hätte wissen müssen, dass sie Zachs Aufbruch zum College – zur USC – nicht feiern konnte, ohne die Tatsache zu betrauern, dass er allein ging.
    Sie blieb, solange sie konnte, lächelte mehr, als sie für möglich gehalten hätte. Sie schnitt sogar den Kuchen an und bat Miles, einen Toast auszubringen, doch lange, bevor es Abend wurde, schlich sie sich hinaus und versteckte sich in ihrem dunklen Arbeitszimmer.
    Wie sollte sie zur USC fahren und sich von ihrem Sohn verabschieden, ohne

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