Wie Blüten im Wind: Roman (German Edition)
hatte sie sich einen Tag vor der Anhörung einen ausgestellten, knöchellangen Rock in Grün, einen etwas helleren Pullover mit V-Ausschnitt und ein paar bronzefarbene Sandalen in einem Secondhand-Laden gekauft.
Nun versuchte sie in ihren neuen femininen Sachen die Erinnerung an das Mädchen in Schwarz zu verdrängen, das einst in Ketten aus einem Gerichtssaal geführt worden war.
Sie spürte, wie Scot zu ihr trat. Er berührte sie sacht am Arm.
»Sie sind da«, sagte er.
Unwillkürlich richtete sie sich auf; die Nackenhärchen sträubten sich. Sie versuchte zwar, sich nicht umzudrehen, aber ihr Blick wurde wie magnetisch von Zach angezogen.
Als sie ihn sah, setzte ihr Herz einen Schlag aus. Er trug denselben Anzug wie beim Schulball; jetzt spannte er ein wenig über dem Brustkorb.
Darf ich dich küssen, Lexi …?
Sie wandte den Blick ab und versuchte, die Erinnerung zu verdrängen. Gemeinsam mit Scot ging sie zum Tisch auf der linken Seite des Saals. Zach folgte seinem Anwalt an den Tisch auf der gegenüberliegenden Seite.
Der Richter betrat als Letzter den Saal. Er war ein korpulenter Mann mit glänzender Glatze und trug eine Brille auf seiner Knollennase. Sein Gerichtsdiener, ein eleganter Asiate in Uniform, lächelte strahlend, als er seinen Platz neben dem Richtertisch einnahm.
Der Richter strich sich den Talar glatt und setzte sich. »Diese Anhörung«, begann er und blätterte durch die Unterlagen auf seinem Tisch, bis er gefunden hatte, was er suchte, »gilt der Änderung einer Sorgerechtsregelung. Mr Jacobs?«
Scot stand auf und wies Lexi flüsternd an, es ihm nachzutun. »Miss Baill bittet dieses Gericht um Modifizierung der Sorgerechtsregelung. Im Jahre 2004 war Miss Baill in der Abschlussklasse der Highschool. Sie war zum ersten Mal verliebt und freute sich auf das College. Ihre Noten waren so gut, dass sie ein Stipendium der University of Washington bekommen hatte. Sie träumte davon, einmal Anwältin zu werden.
Aber in einer Sommernacht veränderte eine falsche Entscheidung alles für sie und die Farradays. Sie, Zachary und Mia Farraday gingen zu einer Highschool-Party, und obwohl Zachary Farraday versprochen hatte, sie wieder nach Hause zu fahren, hielt er sein Wort nicht, sondern betrank sich. Seine Zwillingsschwester Mia trank ebenfalls den ganzen Abend. Daher bot Alexa tragischerweise an, sie zum nicht mal eine Meile entfernten Haus der Farradays zu fahren.
Es gab einen Unfall, bei dem Mia ums Leben kam. Damals riet ich Alexa, auf ›nicht schuldig‹ zu plädieren und für ihre Freiheit zu kämpfen, doch Alexa ist eine junge Frau mit höchsten moralischen Ansprüchen und einem tiefen Gespür für das, was richtig ist und was falsch. Daher plädierte sie auf ›schuldig‹ und ging ins Gefängnis, weil sie hoffte, mit ihrer Haft Buße zu leisten.
Damals wusste sie nicht, dass sie schwanger war. Ursprünglich plante sie, das Kind zur Adoption freizugeben, aber zu ihrer Überraschung bot Zach an, ihre Tochter aufzuziehen. Sie war so dankbar und so schuldbewusst wegen Mias Tod, dass sie sich bereit erklärte, Zach das Sorgerecht ganz zu übertragen.
Im Gefängnis machte Alexa einen Bachelor in Soziologie, und sie hofft, jetzt ihren Master in Sozialarbeit machen zu können, um anderen Teenagern zu helfen, die in Schwierigkeiten geraten sind.
Sie ist eine beeindruckende junge Frau, und ich hege keinerlei Zweifel, dass sie ihrer Tochter eine ausgezeichnete Mutter sein wird. Es ist vollkommen eindeutig, dass sich die Situation in diesem Fall wesentlich verändert hat und meine Mandantin es verdient, mit ihrer Tochter zusammenleben zu können.« Scot berührte Lexi am Arm, schloss mit »Danke«, und dann setzten sich beide.
Auf der gegenüberliegenden Seite stand Bill auf. In dem kleinen Gerichtssaal mit den tristen Wänden und dem abgenutzten Fußboden bot er mit seinem teuren Anzug und dem strengen Profil eine eindrucksvolle Figur.
»In diesem Fall kann es keinen angemessenen Grund geben, die Sorgerechtsregelung zu ändern. Miss Baill musste wegen Trunkenheit am Steuer und fahrlässiger Tötung eine Haftstrafe verbüßen. Dies war kein Kavaliersdelikt.« Er hielt inne und sah Lexi vielsagend an. »Sie war in Purdy, Euer Ehren, nicht mal eine Stunde Fahrtzeit von Pine Island entfernt. Dass sie vom Leben ihrer Tochter ausgeschlossen war, lag nicht an zwingenden Umständen. Sie entschied sich dafür, keine Mutter zu sein. Als Zachary Farraday ihr Briefe schrieb, in denen er von ihrer Tochter
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