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Wie Blüten im Wind: Roman (German Edition)

Wie Blüten im Wind: Roman (German Edition)

Titel: Wie Blüten im Wind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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auf die Terrasse zu ihrem Sohn. An seiner Haltung – den hängenden Schultern, den tief in die Taschen geschobenen Händen – sah sie, was passiert war. Sie kam zu spät. »Lexi war hier«, sagte sie verbittert.
    »Ja.«
    »Sie will noch eine Chance, aber wir kriegen keine mehr. Mia wird nie mehr zurückkehren. Ich kann nicht jeden Tag den Menschen um mich herum haben, der sie umgebracht hat.«
    Zach blickte sie an. »Grace ist ihre Tochter, Mom.«
    Jude stockte der Atem angesichts dieser schlichten Wahrheit. Plötzlich hatte sie das Gefühl, als würde sie – als würden sie alle – auf einen Abgrund zurasen. Sie erschrak bis ins Mark. In den vergangenen Jahren hatten sie gerade so überlebt. Sie konnten das nicht noch mal durchstehen.
    Sie hatte aus der Distanz zugesehen, wie ihr unreifer, verspielter Junge zum Mann wurde. Trauer hatte ihn niedergedrückt; die Vaterschaft hatte ihn wieder aufgerichtet.
    Sie ließ ihr Handy aufschnappen und rief einen Freund an, der seit langem auch ihr Anwalt war. »Bill. Jude Farraday hier. Das Mädchen, das Mia umgebracht hat, ist aus der Haft entlassen und hat den Antrag gestellt, das Sorgerecht für Grace zu bekommen … Morgen? Großartig. Bis dann.« Sie beendete das Gespräch.
    »Grace ist unglücklich«, sagte Zach, und der Schmerz in seiner Stimme brach ihr das Herz.
    »Aber Lexi ist nicht die Lösung, Zach. Sie ist die Ursache. Vergiss das nicht.« Jude berührte ihn am Arm. Sie musste jetzt stark sein, für ihn. Vielleicht hatte er sich schon seit Jahren vergeblich danach gesehnt, aber jetzt würde sie für ihn da sein. Dieses Mal würde sie ihn schützen.

D REIUNDZWANZIG
    Am nächsten Morgen stand Jude früh auf und zog sich sorgfältig an.
    »Wir gehen doch nicht zur Beerdigung«, bemerkte Miles, als er sie in der Küche sah.
    »Nein? Es fühlt sich aber so an. Wir treffen uns im Wagen«, erwiderte sie und verließ eilends die Küche. Was sie jetzt auf gar keinen Fall hören wollte, war eine seiner Moralpredigten oder noch mehr Fragen darüber, was sie denn da taten. Natürlich hing Miles, der Zenmeister, der irrigen Vorstellung an, ihrer aller Wunden würden sich schließen, wenn Lexi wieder in ihr Leben zurückkäme. Als sie am Abend zuvor von Zach nach Hause gekommen war, hatte sie ihm doch tatsächlich zum ersten Mal in ihrer Ehe befohlen, einfach den Mund zu halten.
    Offenbar hatte er seine Lektion gelernt, denn er sagte nichts, als sie Grace von der Vorschule abholten, in der Tagesstätte absetzten und dann nach Seattle fuhren.
    Um ein Uhr gesellte sich Zach in der Eingangshalle des Smith Towers zu ihnen, und um zehn nach eins saßen sie gemeinsam in einem Eckbüro mit Blick auf die Elliott Bay und Pine Island. Aus der Ferne wirkte die Insel wie ein dicht bewachsener, unbewohnter Hügel, der auf dem stahlblauen Meer dahintrieb.
    »Scot hat den Antrag an meine Kanzlei geschickt«, berichtete Bill nach den üblichen Eingangsfloskeln. »Alexa Baill möchte die bisherige Sorgerechtsregelung ändern.«
    »Sie will mir Grace also wegnehmen?«, fragte Zach wie erstarrt. »Sie hält mich für einen schlechten Vater?«
    »Nein, das nicht. Sie möchte geteiltes Sorgerecht«, antwortete Bill.
    »Wie ist das möglich?«, fragte Jude. »Schließlich hat sie bei Grace’ Geburt auf das Sorgerecht verzichtet.«
    »Sorgerechtsregelungen sind nur selten in Stein gemeißelt, Jude. In diesem Fall muss Alexa nur eine wesentliche Veränderung der Situation nachweisen – was durch ihre Entlassung aus der Haft gewährleistet ist.«
    »Womit müssen wir also rechnen?«, wollte Zach wissen.
    »Zuerst gibt es eine Anhörung, in der nur geklärt wird, ob die Veränderung der Situation für alle weiteren Schritte ausreicht. Danach kommt die einstweilige Verfügung, die das Sorge- und Besuchsrecht bis zum Prozess regelt. Denn der ist realistischerweise frühestens in einem Jahr zu erwarten. Bis dahin wird vom Gericht ein Vormund bestellt, der Grace’ Interessen wahrt und entscheidet, was für sie das Beste ist.«
    »Das klingt teuer«, warf Miles ein. »Wie kann sie sich das leisten?«
    »Wahrscheinlich bekommt sie Gerichtskostenbeihilfe. Vielleicht übernimmt ein Anwalt auch pro bono den Fall.
    Im besten Fall – für uns – bekommt sie Besuchsrecht, im schlechtesten geteiltes Sorgerecht. Aber ihr solltet euch darüber bewusst sein, dass das Gericht dazu tendiert, Kinder der Mutter zuzusprechen, es sei denn, sie ist als Erziehungsperson eindeutig ungeeignet oder stellt eine Gefahr

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