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Wie Blüten im Wind: Roman (German Edition)

Wie Blüten im Wind: Roman (German Edition)

Titel: Wie Blüten im Wind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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mit Valium ruhigzustellen, sich nicht mehr mit Prügeleien abzureagieren. Grace hatte sie wieder zu sich selbst zurückgebracht. Zumindest ihre Vorstellung von Grace.
    Sie stand auf und ging in Scots Kanzlei. Sie winkte der Empfangsdame und betrat, ohne anzuklopfen, sein Büro. »Verzeihen Sie, dass ich störe.«
    »Sie stören mich nicht, Lexi«, sagte er und stieß sich mit dem Stuhl vom Schreibtisch ab.
    Sie holte die einhundert Dollar hervor, die Tante Eva ihr geschickt hatte. »Wie viel Zeit mit Grace bekomme ich dafür?«
    »Nicht viel«, antwortete er traurig.
    Lexi biss sich auf die Lippe. Sie wusste, was jetzt kam, hatte aber Angst davor. »Es gibt eigentlich nur eine Möglichkeit, meine Tochter zu sehen, stimmt’s?«
    Scot nickte langsam.
    Eine ganze Minute verstrich. Sie wartete darauf, dass er es ihr ausredete.
    »Na dann«, sagte sie nach endlosem Schweigen. Sie warf sich ihre Handtasche über die Schulter und verließ das Büro. Draußen schloss sie das Fahrrad auf, stieg auf und fuhr aus der Stadt. Obwohl es ein Umweg von drei Meilen war, fuhr sie nicht über die Night Road. Während der gesamten Fahrt erlaubte sie sich nicht, daran zu denken, wohin sie fuhr oder was sie vorhatte.
    Am Ende der langen Kiesauffahrt stieg sie vom Fahrrad.
    Vor dem blauen Sund und dem noch blaueren Himmel sah das Haus immer noch wunderschön aus. Der Garten war chaotisch, aber das wusste man nur, wenn man ihn vorher gesehen hatte. Für jemanden, der ihn zum ersten Mal sah, war er nur ein einziges Farbenmeer.
    Lexi klammerte sich an den Lenker und schob das Rad den Weg hinunter. An der Garage legte sie es vorsichtig ins Gras, ging dann zur Haustür und läutete.
    Seltsam, wie das Klingeln an der Haustür sie in die Vergangenheit zurückversetzte. Für den Bruchteil einer Sekunde war sie wieder unschuldig, ein achtzehnjähriges Mädchen mit dem Ring seines Freundes am Finger, das seine beste Freundin besuchen kam.
    Die Tür ging auf, und Jude erschien. In ihrem schwarzen T-Shirt und den Leggins sah sie beunruhigend mager aus; ihre blassen Hände und Füße wirkten zu groß und knochig, und unter der Haut traten bläuliche Adern hervor. Tiefe Ringe unter den Augen ließen sie älter aussehen, und in ihrem Haar gab es schon graue Strähnen.
    »Du hast vielleicht Nerven!«, sagte Jude schließlich. Doch ihre Stimme zitterte, und das half Lexi, ihre Aufregung unter Kontrolle zu halten.
    »Das könnte ich auch zu dir sagen. Schließlich ist sie meine Tochter.«
    »Grace ist nicht hier. Und bei der Tagesstätte darfst du sie nicht mehr sehen.«
    »Ich wollte auch nicht Grace sehen«, erwiderte Lexi. »Sondern dich.«
    »Mich?« Jude wurde noch blasser. »Warum?«
    »Darf ich reinkommen?«
    Jude zögerte erst und wich dann zurück. Lexi war sich nicht sicher, ob sie sie hereinlassen oder den Abstand zwischen ihnen vergrößern wollte. Doch trat sie einfach ein und schloss die Tür hinter sich.
    Als Erstes fiel ihr Mias grüner Pulli auf, der an der Garderobe hing. Sie holte scharf Luft und streckte die Hand aus.
    »Nicht anfassen!«, sagte Jude heftig.
    Lexi zog die Hand zurück.
    »Was willst du?«
    Da Lexi es nicht aushielt, so nah vor diesem Pulli zu stehen, ohne ihn anfassen oder sich abwenden zu können, marschierte sie einfach an Jude vorbei und ging in den Wohnbereich mit den Panoramafenstern. Durch die riesigen Glasscheiben sah sie den Strand. Dort drüben hatte Zach ihr gesagt, dass er sie liebte … und dort hatten sie auch ihre Zeitkapsel vergraben. Den Beweis. Ihren Pakt.
    Sie wandte sich ab. Jude stand jetzt am großen Kamin, in dem trotz der Sommerhitze ein Feuer prasselte. Dennoch wirkte Jude verfroren.
    Lexi erinnerte sich noch, wie schön und positiv Jude früher gewesen war und wie sehr sie sich eine Mutter wie sie gewünscht hatte. »Weißt du noch, wie wir uns kennenlernten?«, fragte Lexi leise, rührte sich aber nicht. »Es war mein erster Tag an der Highschool. Ich ging einfach zu Mia und fragte sie, ob ich mich zu ihr setzen könnte. Sie meinte, das wäre gesellschaftlicher Selbstmord, und ich sagte …«
    »Nicht …«
    »Du willst dich nicht erinnern, schon verstanden. Meinst du vielleicht, ich wollte das? Ich spüre sie hier noch sitzen; ich höre noch, wie sie lachte und sagte: ›Kannst du uns was zu essen machen, madre ?‹ Und dann hast du auch gelacht und gesagt: ›Natürlich, ich lebe nur, um dich zu bedienen, Mia.‹ Ich hab euch so um eure Familie beneidet. Um eine Mutter wie dich. Früher

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