Wie Blüten im Wind: Roman (German Edition)
standen sie an einer hohen Böschung, wo man auf einen vielbefahrenen Abschnitt des Highways, auf das glitzernde Casino und den schwarzen Puget Sound dahinter blicken konnte. »Ich bin hier ständig«, sagte sie.
»Cool.« Zach setzte sich ins weiche Gras.
Widerstrebend nahm Lexi neben ihm Platz. Sie saßen so nah beieinander, dass sie sein Bein an ihrem spürte.
Sie wartete, ob er was sagen wollte, aber er schwieg.
Das Schweigen dehnte sich zwischen ihnen aus und wurde immer unbehaglicher. »Ihr seht euch also nächstes Wochenende Colleges an. Cool«, brach Lexi schließlich das Schweigen. Etwas anderes fiel ihr nicht ein.
Er zuckte mit den Schultern. »Na und?«
»Du klingst nicht gerade, als würdest du dich freuen.«
»Mia sagt, wenn wir nicht zusammen auf die University of South California gehen, ist alles aus. Versteh mich nicht falsch, ich will auch mit ihr aufs College, und ich will auch Arzt werden wie mein Vater, aber …« Er schaute hinüber zum Casino und seufzte.
»Aber?«
Er wandte sich zu ihr und sah, dass sie ihn anblickte. »Was ist, wenn ich es nicht packe?«, sagte er so leise, dass sie es im fernen Rauschen des Verkehrs kaum hörte.
Sie kannte Zach jetzt schon drei Jahre und hatte ihn aus der Distanz bewundert; sie hatte ihn wie ein Archäologe studiert und jedes seiner Worte auf eine geheime Bedeutung abgeklopft. Noch nie hatte er so etwas zu ihr gesagt. Er wirkte verwirrt und verletzlich.
Die Nacht schien plötzlich ganz still zu werden; das Brummen der Motoren wich zurück. Plötzlich hörte Lexi nur noch ihren eigenen Herzschlag und ihre gleichmäßigen Atemzüge. Ihr fiel ein, wie sie immer auf die Rückkehr ihrer Mutter gewartet hatte, um ganz sicher versetzt und enttäuscht zu werden. Wenn es ein Gefühl gab, das sie bis in seine Tiefen erforscht hatte, dann Unsicherheit. Nicht mal in ihren wildesten Träumen hätte sie sich vorstellen können, dass Zach ebenso empfinden konnte. Das schuf eine Verbindung zwischen ihnen. Sie waren sich einig. Für den Bruchteil einer Sekunde war er nicht mehr Mias Bruder, sondern der Junge vom ersten Schultag, der ihr Herz zum Rasen gebracht hatte. »Ich dachte, du hättest niemals Angst.«
»Oh doch, es gibt schon etwas, wovor ich Angst habe.« Er beugte sich kaum merklich zu ihr. Vielleicht verlagerte er nur sein Gewicht auf der harten Erde. Sie wusste es nicht – doch sie wusste, wie es war, Angst zu haben. Und als er sie jetzt so ansah, stockte ihr der Atem. Ohne lange nachzudenken, folgte sie ihrem Impuls und beugte sich zu ihm, um ihn zu küssen.
Gerade wollte sie ihre Augen schließen, da zuckte er zurück. »Was machst du da?«
Jetzt stockte ihr wirklich der Atem, als ihr aufging, was sie fast getan hätte. Er mochte sie nicht mal – schlimmer noch: Er war tabu. Jude hatte das ganz klar gesagt – genau wie Mia. Und nur Mia zählte, keine dumme, sinnlose Schwärmerei für einen Jungen, der jede Woche eine andere hatte.
Entsetzt murmelte sie eine Entschuldigung, stand auf und wollte sich durch das Wäldchen in die relative Sicherheit ihres Wohnwagens flüchten.
»Lexi, warte!«
Sie stürzte in den Wohnwagen und knallte die Tür hinter sich zu. Mia lag auf dem Boden und sang ein Lied aus der Kleinen Meerjungfrau.
Lexi stieg über ihre beste Freundin hinweg und spähte zwischen den Vorhängen hindurch.
Draußen stand Zach und starrte eine Ewigkeit auf die geschlossene Tür. Schließlich ging er zu seinem Wagen und fuhr davon.
Erst als sich Lexi die Zähne geputzt, den Pyjama angezogen und zu Mia ins Bett geschlüpft war, erlaubte sie sich, wirklich an sich heranzulassen, was sie fast getan hätte.
»Du bist eine Idiotin, Lexi Baill«, sagte sie laut zu sich selbst.
»Bist du nicht«, erwiderte Mia und fing an zu schnarchen.
Am nächsten Morgen stand Lexi an ihrem Schlafzimmerfenster und schaute hinaus in den prasselnden Regen. Ihr war übel. Sie konnte es nicht fassen, dass sie letzte Nacht Zach fast geküsst hatte.
War sie blöd!
Was sollte sie jetzt machen? Mia die Wahrheit sagen, sich ihrer Gnade ausliefern und sich für einen kurzen Anfall von Wahnsinn entschuldigen? Aber wenn sie dadurch alles verdarb? Zach würde es nie erzählen. Oder doch? Hasste er Lexi derart?
»Mir geht’s so mies.«
Lexi hörte das Bett quietschen. Mia versuchte, sich aufzusetzen. Langsam und mit einem erneuten Anflug von Scham drehte Lexi sich um.
Mia strich sich das zerzauste Haar aus den Augen, die glasig und trüb wirkten. Auf ihrer
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