Wie Blüten im Wind: Roman (German Edition)
meine Mom trinken sehen, deshalb …« Sie zuckte mit den Schultern. Sie konnte die vielen Gefühle, die damit verbunden waren, nicht in wenige Worte fassen, auch wenn sie noch so sorgfältig gewählt waren. »Ich hab nichts getrunken.«
Eva streckte die Hände aus und ergriff Lexis. »Ich bin keine Aufseherin, Alexa. Man sieht’s mir vielleicht nicht an, aber ich weiß noch, wie es ist, jung zu sein. Und ich weiß, wie es zugeht in der Welt. In einem solchen Zustand kann ein Mädchen in ernsthafte Schwierigkeiten kommen. Sie könnte falsche Entscheidungen treffen. Ich will auf gar keinen Fall, dass dir weh getan wird.«
»Ich weiß.«
»Ich weiß, dass du das weißt. Und noch eins: Mia und ihr Bruder sind nicht wie du. Die beiden haben Möglichkeiten, die du nicht hast. Ihnen wird man Dinge nachsehen, die man dir nicht verzeiht. Verstehst du?«
Lexi verstand sie, das hatte sie seit dem ersten Besuch im Haus der Farradays gewusst. Mia durfte Fehler machen. Lexi nicht.
»Ich bin vorsichtig.«
»Gut.« Eva sah sie an. »Und was diesen Jungen betrifft, so hab ich gesehen, wie er hinter dir her ist. Auch da solltest du vorsichtig sein.«
»Er kann mich nicht leiden. In dieser Hinsicht brauchst du dir keine Sorgen zu machen.«
Eva betrachtete sie aufmerksam. Lexi fragte sich, was sie sah. »Sei ihm gegenüber einfach nur vorsichtig.«
V IER
Jude liebte ihren Garten im Oktober. Im Herbst wurde neu gestaltet, für die Zukunft geplant. Vollkommen versunken pflanzte sie Zwiebeln und stellte sich vor, welche Veränderungen im nächsten Frühjahr daraus hervorgehen würden. Genau das brauchte sie jetzt: eine Art Frieden.
Die letzten fünf Tage hatten sie ziemlich beansprucht, obwohl sie nicht genau sagen konnte, warum. Sie wollte nicht, dass die Kinder auf die Party gingen, aber sie hatten sich durchgesetzt, und alles war ohne Zwischenfälle verlaufen. Zach war pünktlich nach Hause gekommen, sie hatte ihn fest an sich gedrückt (und seinen Atem kontrolliert) und ihn ins Bett geschickt. Sie hatte keinerlei Hinweise darauf gefunden, dass er getrunken hatte, und Mia war über Nacht bei Lexi geblieben und am nächsten Morgen munter nach Hause gekommen. Offenbar war alles gutgegangen. Warum nur war sie so unruhig? Vielleicht hatte Miles recht, und sie sah Probleme, wo es keine gab.
Sie verlagerte ihr Gewicht auf die Fersen und schlug die Hände gegeneinander, um sich die Erde von den Handschuhen zu klopfen. Winzige schwarze Bröckchen rieselten auf ihre Oberschenkel und bildeten ein filigranes Muster.
Sie wollte gerade nach der Gartenschere greifen, die neben ihr im Beet lag, als sie einen Wagen hörte. Sie sah auf, schirmte ihre Augen mit einer Hand ab und sah die in der Sonne blitzende silberne Motorhaube eines brandneuen Mercedes.
»Mist«, murmelte sie. Sie hatte nicht auf die Zeit geachtet.
Der Wagen hielt vor der niedrigen Mauer, die ihren Vorgarten umgab.
Jude zog sich die schmutzigen Gartenhandschuhe aus und stand auf, als ihre Mutter aus dem Wagen stieg. »Hallo, Mutter.«
Caroline Everson ging steif wie ein Stock um ihren stromlinienförmigen Wagen herum und betrat den Garten. Sie hatte eine schwarze Schurwollhose und eine enganliegende Bluse an, die ihren schlanken, durchtrainierten Körper betonte. Das trug sie immer, sommers wie winters. Ihr weißes Haar war aus dem eckigen Gesicht zurückgekämmt; die strenge Frisur betonte perfekt ihre dunkelgrünen Augen. Mit siebzig war sie immer noch eine schöne Frau. Und erfolgreich; das zählte für Caro: Erfolg. »Hast du dich schon für die Gartenrundfahrt gemeldet?«
Jude wünschte, sie hätte ihrer Mutter nie diesen kleinen Traum verraten. »Der Garten ist noch nicht fertig. Aber bald.«
»Noch nicht fertig? Er ist wunderschön.«
Jude hörte den spöttischen Unterton und versuchte, sich dagegen abzuschirmen. Caroline fand Hobbys überflüssig. Für sie zählte nur, was unter dem Strich herauskam, und Jude würde so lange eine Versagerin sein, bis sie ihren Garten bei der Inselrundfahrt für die Touristen gemeldet hatte. »Komm rein, Mutter. Das Essen ist schon fertig.« Ohne auf eine Antwort zu warten, ging Jude zur Haustür. Auf der Veranda schlüpfte sie aus ihren Gartenclogs, wischte sich die Erde von der Hose und ging hinein.
Die Sonne fiel durch die riesigen Fenster des Hauses und ließ die Tropenholzböden schimmern wie poliertes Kupfer. Ein riesiger Granitkamin dominierte den weitläufigen Wohnbereich, der in beruhigenden neutralen Farben
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