Wie der Soldat das Grammofon repariert
Kühlschrank auf den Rücken und wanderte los. Einen sichereren Ort als sein altes Dorf habe er sich nicht vorstellen können, erzählt er mir und gibt Süßstoff in seinen Kaffee. Den Blick auf die Tasse gerichtet, sagt er: mein Dorf war aber kein Dorf mehr, weil für Dörfer brauchst du Menschen. Ich bin von Tür zu Tür gegangen, alle Schlösser waren aufgebrochen, und in den Schlafzimmern schliefen sie nicht, in den Schlafzimmern
lagen sie tot. In Betten, auf roten Kissen. Alle Serben, und wir waren, bis auf ein Haus, alle Serben. Es war das Haus vom guten Mehmed, ich habe geklopft, er hat aufgemacht, er hat gesagt: mein Radovan. Er hat mir seine Hände gezeigt und mich wie einen Bruder umarmt.
Radovan macht eine Pause, rührt in seinem Kaffee, nimmt einen Schluck. Von der Straße dringt das Summen der Motoren zu uns, Rufe, ein Pfiff. Die schlimmste Nacht, sagt Radovan und presst die Lippen zusammen, die Hunde haben sie mit Benzin übergossen und an der Leine angezündet. Meine Großmutter, die einen schlechten Schlaf hatte und sich nachts auf der Veranda müde schaukelte, haben sie neben der Schaukel gehenkt. Alle anderen erschossen, und sie baumelte dort. Sollte das wie Selbstmord aussehen? Nie wäre sie von alleine darauf gekommen, so was Dummes, hätte sie gesagt, ich habe doch nur dieses Eine!
Radovan Bunda beerdigte das Dorf und trat mit den Hühnern den Rückweg an, um Rache zu nehmen. Unterwegs sammelte er vierzehn spitze Steine für jedes der vierzehn Opfer und weinte sieben Tage lang. Sechs Nächte machte er kein Auge zu und in der siebten gestand er sich ein, kein Mörder sein zu können. Hass kann ich, Blut kann ich nicht. Ich werde reich, habe ich mir gesagt, und dann mal sehen. Ich bin wieder hier eingezogen und habe mich von allem fern gehalten, ehrlich. Beim Herrn Musikprofessor Popović habe ich schreiben gelernt, auch besser sprechen, schneller denken und gewitzt schmeicheln gelernt, ein Jahr lang jeden Tag beim Herrn Popović, er hat zum Abschied immer Klavier gespielt. Dann hat er Mozart vergessen, dann hat er Brahms vergessen, dann hat er Vivaldi vergessen, am Ende ist ihm nur noch Bach geblieben. Willst du reich werden, mein Radovan, musst du die Rhetorik beherrschen! Das hat der Herr Musikprofessor zu mir gesagt, da ging es ihm noch gut.
Radovan verkaufte alles außer die Hühner. Mit dem Geld lud er Schmuggler und Diebe zum Abendessen ein, lauschte, wenn sich Politiker und Angeber unterhielten, sah einem Arzt
und drei Blauhelmen beim Pokern zu und gab dem Arzt Zeichen.
Und als ich genug darüber erfahren hatte, wie die Dinge laufen, sagt Radovan und breitet die Arme aus, habe ich einen Laster angehalten und mich mit dem Fahrer ein bisschen gezankt, nicht schlimm. Das Ding war voll mit Medikamenten und unterwegs zu einem Bürgermeister, der sie weiterverkaufen wollte. Den Laster habe ich bei einem meiner Schmuggler untergestellt und dem Poker-Arzt habe ich gesagt: so, jetzt bist du dran.
Radovans Kühlschrank ist heute der einer amerikanischen Großfamilie. Zusätzlicher Wohnraum, begehbar. Auf dem engen Top seiner blonden Frau steht »Princess Bitch« in Glitzersilber. Eine zweite, rothaarige Frau kommt herein und küsst Radovan auf den Mund – ich muss das Beziehungsgeflecht hier überdenken. Radovan stellt mir beide Frauen mit Vornamen vor, bei beiden klingt es nach Ypsilon am Namensende, beiden langt er an den Hintern. Princess Bitch und die Rothaarige rauchen am Fenster, weit vornübergebeugt in den Višegrader Morgen.
Die haben mein ganzes Dorf ausgelöscht, sagt Radovan, aber ehrlich, ich hatte noch ein Leben! Ich habe in Medikamente investiert, dann in Schrott. Irgendwann war aber alles Schrott, die Stadt, das ganze Scheißland war Schrott, und Schrott war nichts mehr wert. Ich habe einen Raum gemietet, Kaffee und Grillfleisch verkauft und das ganze »McRadovan« genannt. Eine Kneipe von vielen, aber ich war die erste, in der man wetten konnte. Alle sind sie gekommen, meine Ärzte, meine Blauhelme, meine Flüchtlinge, meine Politiker, meine Erfinder, meine Schmuggler. Der Einzige, der gewonnen hat, war aber ich, McRadovan Bunda.
Radovan ist ein stämmiger Mann, sorgfältig rasiert und sonnengebräunt. Dass er lange Wörter meistens auf der ersten Silbe betont, ist ein letztes Überbleibsel seines Dialekts, sein Haarwachs riecht nach Apfel. Radovan raucht nicht und beschreibt, wenn er von Geld spricht, mit den Händen einen
Kreis in der Luft, die Finger weit gespreizt. Der
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