Wie der Soldat das Grammofon repariert
Klarinette weg, dieses Mal, um Soldat zu werden. Er focht in ebenjener Provinz, erlebte das Ende des Krieges in Kroatien und erkundigte sich, ob er kurz mal duschen könne und wie es mit frischen Handtüchern aussehe, als er gefragt wurde, ob er sich weiterrächen wolle, an Sarajevo zum Beispiel.
Das Zwei-null machte Mikimaus mit einem seiner Gewaltschüsse. Er eroberte sich den Ball an der Eckfahne – ein in die Erde gerammtes Gewehr – und marschierte durch die Reihen des Feindes, begleitet von spöttischen Zurufen, aber nicht konsequent genug angegriffen. Die Beleidigungen schienen ihm dieses Mal nichts auszumachen, noch in der eigenen Hälfte peilte er Dino Zoff an, der Mund sperrangelweit offen wie eh und je. Ein Doppelpass, eine Körpertäuschung, Schuss, uuh!, und Dino Zoff konnte den Ball nicht entscheidend ablenken. Nach dem Schuss war Mikimaus schlagartig stehen geblieben und hatte die Kugel mit zum Gruß erhobenem Arm verfolgt, als verabschiedete er einen guten Freund auf eine lange Reise.
Die Territorialen hatten ihre einzige gute Torchance Ende der ersten Halbzeit, als Kiko einen Alleingang durch die gegnerische Defensive mit einem Tannenpfostenknaller abschloss. Im direkten Gegenzug spielte Gavro, der Klarinettist, einen Pass auf Marko in die Sturmspitze, Meho kam aber einen Tick schneller an den Ball und drosch ihn mit voller Wucht aus dem Strafraum, aus dem Spielfeld, aus der Lichtung und in den Wald.
Eh, fick doch die Waldfee, schüttelte Meho den Kopf und ging in die Hocke, als müsse er sich übergeben. Der Schiri pfiff, zeigte erst auf Meho, dann zum Wald – eine Geste, die es wohl bei keinem anderen Fußballspiel auf der Welt gab, und die bedeutete: Meho hat die Scheiße verbockt, also hat er das Ding auch zu holen. Einen Plan, wo genau die Minen lagen, konnte man ihm allerdings nicht mitgeben, vermutlich existierte so etwas gar nicht. Die Minen aber existierten ganz gewiss. Noch bevor sich die Front um die Lichtung verhärtete, hatten die Serben bei einem Versuch, von hinten an die Territorialen heranzukommen, zwei Mann in dem Wald verloren und vom dritten ein Bein. So isses gut, holt sie euch brav alle zurück und lasst ja keine liegen, schade um die Ziegenböcke, hatte es damals von den Stellungen der Territorialen gedröhnt.
Dino Zoff griff Meho unter die Arme. Mensch, Meho, flüsterte er, haben wir es nicht tausend Mal besprochen: eine gute Abwehr haut den Ball nicht weg! Hinten schön abgeklärt, kurze Pässe, das kann doch echt nicht schwer sein.
Kann nicht schwer sein, flüsterte auch Meho zu sich, als er, begleitet von zwei Sanitätern, am Waldrand ankam und sich umschaute. Alle Spieler und beide Aus-Linien sahen in seine Richtung. Irgendjemand winkte, also winkte Meho zurück. Der Ball lag etwa zwanzig Meter vom Waldrand entfernt, friedlich unter rotem Farn auf Moos gebettet. Die Sonne durchflutete das Waldstück mit gleißendem Licht, die Strahlen fielen schräg durch die Blätter auf den leicht ansteigenden Waldboden, der dem zitternden Mann im Trikot von Roter Stern Dutzende Minen verheimlichte. Das Trikot! Panisch zog Meho den rot-weißen Dress seiner Lieblingsmannschaft aus, küsste den Stern und faltete es auf dem Boden sorgfältig zusammen.
Meho, warte mal! Marko war seinem Gegenspieler die kleine Anhöhe hinauf gefolgt. Hier, für den Ball, zwinkerte der serbische Stürmer und reichte Meho eine kugelsichere Weste, wickel ihn gut ein, bevor du zurückläufst.
Meho starrte die schwarze Weste an.
Sag mal, Meho, wie kommt das denn eigentlich? Marko hob Mehos Trikot auf und schüttelte den Kopf. Die sind doch Belgrader?
Mehos Kinn zitterte. Immer und ewig die Rot-Weißen!, schnarrte er und wischte sich den Schweiß aus der Stirn. Er streifte Markos Weste über und sagte mit bebender Stimme: geh du mal lieber zurück, und dann in akzentfreiem Englisch, indem er einen Schritt in den Wald trat: this could get fuckin’ dangerous.
Mit Mehos Trikot in der Hand lief Marko zu den anderen zurück. Man saß im Gras, unterhielt sich und sah zu den Bäumen, auch nachdem Meho in ihrem Schatten verschwunden war. Gavro kratzte sich mit einem Holzsplitter unter den Fußnägeln und pfiff eine verspielte Melodie vor sich hin. Der satte Pfeifton schaukelte zwischen den nackten Oberkörpern der serbischen Elf und tanzte vor den konzentrierten Gesichtern der Territorialen. Ein Klezmer, und sie alle hörten demselben Lied zu, einige tippten zum Takt ins Gras oder sich gegen den
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