Wie der Soldat das Grammofon repariert
Blumenkohlsaft aus und wischte sich mit dem Geschirrtuch über den Mund. Er schob den Stuhl nach hinten, erstarrte aber in der festen Stimme seines Sohnes, der sagte: stehst du auf, machst du einen Schritt, dreh ich dir den Hals um wie einem Huhn, ich bin jetzt weit weg. Fünf Tage wanderte Mikimaus, fragte sich durch, sagte so oft, er sei Serbe, bis man ihm ein Gewehr gab. Kann ich schießen gehen?, wollte er wissen, und lernte, wie man lud und entsicherte. Er wurde auf den Igman geschickt, wo die serbischen Truppen die Belagerung von Sarajevo vorbereiteten. Mikimaus klagte nie. Er fand sie besser als das Zuhause, die abgelegenen Orte, über die seine Kameraden sagten, Gott habe sie längst verlassen und vergessen, und so ein Gott dreht sich nicht noch mal um. Sie sagten: hinter Gottes Füßen.
Der Spitzname machte Mikimaus nichts aus. Ich mag auch die Ente und den Hund, sagte er, Pluto ist halt ein bisschen tollpatschig. In der Schule hatte er noch nicht Mikimaus geheißen, und Kiko nannte ihn heute noch Milan.
Milan, sagte Kiko und legte Mikimaus die Hand auf den Oberarm, ihr habt heute Nacht Ćora weggefickt.
Mikimaus hob die Augenbrauen, zog den Kopf ein und holte Luft für eine Antwort. Sein Gesicht verlor jegliche Symmetrie, blass und mit den Aknenarben sah es aus wie unbehauener Stein. Kiko wartete auf eine Antwort, aber Mikimaus atmete bloß aus und schloss seinen pausenlos geöffneten Mund. Presste die Lippen zusammen wie andere den Blick senken.
Ein schriller Pfiff signalisierte das Ende des Aufwärmens.
Mikimaus nahm Kikos Hand von seinem Arm. Kiko, die haben gesagt: Mikimaus, du spielst wieder hinten.
Dass er der Einzige gewesen war, der in dieser Nacht geschossen hatte, sagte Mikimaus nicht. Aus dem Wald flog ein schwerer Vogel auf, und der große Mann lief zurück in die Abwehr.
Gavro, der serbische Spielmacher, ein schwarzhaariger Lockenkopf
mit einem tätowierten Raben an der Schulter, pfiff dem Vogel spitz hinterher. Gavro pfiff nur dann nicht und summte kein Liedchen, wenn er sprach oder aß. Sogar im Schlaf schnarchte er unter seinem Schnurrbart ein klangvolles »An der schönen, blauen Donau«. Der Vogel überflog die Lichtung und segelte im Süden talwärts hinter die Bäume. Gavro schnappte sich den Ball und ging zum Schiri, der wie gebannt auf seine Uhr starrte.
Fick die Sonne, Mann, wartest du auf ein Zeichen Allahs? Ist nicht so, dass wir Zeit haben, Mann!
Der Angesprochene würdigte ihn keines Blickes, sah weiter auf den Sekundenzeiger, also schnippte Gavro den Ball mit der Fußspitze hoch, hielt ihn mit links und rechts abwechselnd in der Luft, balancierte ihn auf der Stirn, ließ ihn auf dem Oberschenkel abtropfen und stoppte ihn auf dem Spann. Dazu trillerte er die Melodie von »Somewhere over the rainbow« in einer so lauten Weise schön, dass sich Köpfe nach ihm drehten. Die Männer blinzelten in diesem Konzert aus Nachmittagssonne, Ballgeschick und wohlklingenden Melodien, traten von einem Bein auf das andere oder standen einfach herum und stützten die Hände auf die Hüften. Ruhig wurde es auf Igman häufiger in den letzten Monaten, vor allem nachts, wenn auf der Lichtung und im Tal die Waffen ruhten. Aber so friedlich wie vor dem Anstoß und zu Gavros Angedenken an vielleicht Glenn Miller, war es hinter Gottes Füßen seit langem nicht mehr gewesen.
General Mikado, der Befehlshabende der serbischen Einheit, schlug dem Pfeifenden mit der flachen Hand gegen den Hinterkopf, nahm ihm den Ball vom Fuß, pfiff selbst schrill in die Finger und spielte den ersten Pass. Kannste sieben Sekunden früher abpfeifen, rief der Mann mit gedrungenem Oberkörper und schrägen Augenschlitzen, denen er seinen Spitznamen verdankte. Er stürmte am Schiri vorbei und wich auf den rechten Flügel aus, wo er keine zwei Minuten später das Eins-null für die Serben vorbereiten würde – eine Flanke auf den Kopf von ebenjenem pfeifenden Gavro.
In den frühen Achtzigern hatte Dejan Gavrilović Gavro eine Karriere als Klarinettist aufgegeben, um Fußball-Profi zu werden. Es folgten fünf Jahre Abstiegskampf in der zweiten Liga, dann ein Kreuzbandriss. Während der Genesungszeit hatte er wieder mit der Klarinette begonnen und gab Ende der Achtziger mit seinem Bruder Konzerte in Belgrader Jazzkneipen. Sie nahmen eine Platte auf, die nicht unbeachtet blieb. Im November einundneunzig wurde der Bruder eingezogen und fiel nur vier Tage später in der kroatischen Provinz. Gavro legte ein zweites Mal die
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