Wie der Vater so der Tod
Handschellen an den Leisten des Kopfbretts und bindet meine Füße ans Fußende – er hat überall Stricke bereitliegen. Anschließend legt er eine muffige Decke auf mich. »Gute Nacht, Sara«, sagt er und gibt mir einen Kuss auf die Stirn. Das hat er zum letzten Mal gemacht, als ich sieben war.
Er verschwindet für ein paar Minuten und kehrt dann mit Zach zurück. Er wiederholt die Prozedur, fesselt ihn ans andere Bett und gibt auch ihm einen Kuss auf die Stirn.
»Morgen müssen wir ihm die Pistole wegnehmen, Sara«, flüstert Zach, als Dad das Licht ausgeschaltet hat und gegangen ist. »Er lässt uns auf keinen Fall einfach so gehen.«
»Du hast recht«, erwidere ich leise. »Wenn einer von uns die Gelegenheit bekommt, muss er sie nutzen.« Ich rutsche ein wenig umher und suche nach einer bequemeren Lage.
»Wie konnte ich nur so dumm sein? Ich dachte, Mom würde eine Wohnung für uns suchen oder Dad habe sie umgebracht. Nie bin ich auf den Gedanken gekommen, dass er sie in dieser Hütte gefangen hält, die nicht einmal uns gehört … Samstag, als ich mit Alex auf der Suche nach dem angeblichen Geliebten meiner Mutter herumgefahren bin, hätte ich daran denken sollen, hier nachzusehen.«
»Samstag hast du wen gesucht?«
»In einem Schuh meiner Mutter habe ich eine Grußkarte gefunden, von einem Floristen. Mit einem Herz drauf und dem Namen Brian. Alex und ich haben einen Typen ausfindig gemacht, einen Arbeitskollegen meiner Mutter. Ich dachte, vielleicht hatte er ein Verhältnis mit ihr.«
»Brian?« Zachs Stimme ist plötzlich wieder so hoch wie damals in der achten Klasse.
»Ja«, bestätige ich.
Zach wendet den Kopf zur Seite, damit ich sein Gesicht nicht sehe.
»Was ist?«
Zach sieht mich noch immer nicht an. »Ich glaube nicht, dass die Karte für deine Mutter bestimmt war.«
»Wie meinst du das? Glaubst du vielleicht, jemand hätte meinem Vater Blumen geschickt? Den Tag möchte ich erleben. Er hätte den Burschen unangespitzt in den Boden gerammt.«
Zach räuspert sich. »Erinnerst du dich an das Theaterstück, an dem dein Bruder mitgewirkt hat, bevor …«
»Ja.«
»Erinnerst du dich an die Figur des Anwalts?«
»Du meinst den Typen, der von Laurens Bruder gespielt wurde? Klar, er hieß Brian. Aber was hat das damit zu tun? Soll das heißen, Jay hat die Blumen als Scherz geschickt?«
»Es war kein Scherz.«
»Sei nicht albern. Jay Weston, Kapitän der Basketballmannschaft und Sportskanone, soll meinem Bruder Blumen geschickt haben?«
»Ja.« Zach sagt es ganz ernst.
»Du meinst, er mochte meinen Bruder?«
»Es war mehr als nur das.«
»Soll das heißen, dass Jay und Matt – wir reden hier über meinen Bruder! – eine Beziehung hatten?«
Zach räuspert sich erneut, gibt aber keine Antwort.
»Verdammt, Zach, antworte mir!« Tränen schießen mir in die Augen. »Unglaublich. Du hast es gewusst? Du hast es gewusst, und ich hatte keine Ahnung?« Ich fasse es nicht, Matt! Ist dir klar, wie sauer ich im Augenblick auf dich bin?
Ich schließe die Augen, und in der Erinnerung höre ich Dads Stimme. Dieses schwachsinnige Schwulentheater. »Bestand Dad deshalb darauf, dass Matt mit dem Theater aufhörte? Wusste er davon? Und auch Mom?«
»Ja«, sagt Zach sanft. »Deine Mutter hat ihn unterstützt, aber dein Vater … Er drohte Matt und sagte, wenn er nicht damit aufhört, beim Theater mitzumachen und sich mit Jay zu treffen, wirft er ihn aus dem Haus. Und dass er dann nie wieder in die Nähe seiner Mutter oder Schwester käme.« Zach schluckt und schüttelt den Kopf. »Ich hätte etwas tun sollen. Der ganze Schwachsinn, den dein Vater Matt an den Kopf warf … Ich hätte ahnen können, dass Matt irgendwann keinen Ausweg mehr sah. Ich hätte ihn daran hindern können. Dann wäre er noch am Leben und dein Vater nicht übergeschnappt.«
»Mit Dad ging es von dem Moment an bergab, als wir Philly verließen, und du konntest nicht wissen, dass Matt fähig war, sich … Warum scherte er sich überhaupt darum, was Dad dachte?« Doch ich kannte die Antwort. Was auch immer mein Vater mit uns anstellte, wie schlecht er uns auch behandelte … Irgendwie liebten wir – Mom, Matt und ich – ihn noch immer, weil er einmal ein guter Vater gewesen war. Irgendwie wollten wir ihm gefallen und gaben die Hoffnung nicht auf, dass er uns dafür liebte. Es ist dumm und vollkommen verrückt, aber es ist die Wahrheit. »Himmel, Zach, warum hat er mir nichts gesagt?«
Ich denke daran, wie mein Bruder dasteht, an
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