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Wie der Vater so der Tod

Wie der Vater so der Tod

Titel: Wie der Vater so der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Bilen
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Schulausflug gefragt.«
    Zachs Gesichtsausdruck verändert sich. »Schön«, erwidert er. »Der Ausflug war schön.«
    Dad drückt Zach auf einen Küchenstuhl, zieht die Handschellen durch die dicken Stäbe der Rückenlehne und nimmt einen Strick von der Arbeitsplatte. Zach tritt nach ihm, aber mein Vater packt seinen Fuß und dreht ihn, bis Zach schreit. Dann knüpft er einige schnelle Knoten, wie bei den Müllbeuteln, woraufhin Zachs Beine ebenso nutzlos sind wie die meiner Mutter. Es steht 3 zu 0 für Dad.
    Ich versuche, ruhig zu bleiben und sehe mich in der Hütte nach einer Waffe oder einem Ausweg um. Hat mein Vater sie gemietet, oder ist er eingebrochen? Wie auch immer: Die Urlaubssaison ist vorbei. Wir können nicht damit rechnen, dass jemand vorbeikommt.
    »Also gut, ich mache uns was zu essen.« Wenn wir campen, übernimmt Dad meist das Kochen. Wenn man es so nennen kann.
    Neben mir in der Küche öffnet er eine Dose Thunfisch, rührt Mayonnaise aus dem Kühlschrank hinein, an den ich gefesselt bin, und steckt Brot in den Toaster. Anschließend setzt er Wasser für Tee auf. Als alles fertig ist, bringt er unsere Teller zum Tisch.
    Er schiebt Mutters Stuhl näher an den Tisch heran, dreht sich zum Geweih an der Wand um und nimmt einen Schlüssel vom Haken daneben. Ein Schlüssel für die Handschellen? Er muss zwei haben, denn er hat nichts an den Haken gehängt, als er mit Zach vom Wohnmobil zurückkehrte. Dad gibt Mom und Zach jeweils eine Hand frei, damit sie essen können. Mich bringt er zu einem Küchenstuhl, ohne meine Beine zu fesseln. Ich schätze, es hat Vorteile, die Tochter zu sein, die immer schweigt, wenn es darauf ankommt.
    Der Tee ist gut. Das ist er immer, wenn mein Vater ihn kocht. Ich halte die Nase dicht über die Tasse, um sie aufzuwärmen, und dann trinke ich einen Schluck – genau richtig süß.
    Beim Thunfischsandwich sieht die Sache anders aus. Es enthält die knirschenden Bestandteile, die ich so hasse. Ich spiele mit dem Gedanken, sie herauszupicken, wage es aber nicht. Also beiße ich hinein, kaue, schlucke und spüle mit dem Tee nach.
    Dads Augen glänzen. Im Gegensatz zu den meisten Abenden führt er das Gespräch.
    »Nun, Matt, bist du bereit fürs Kanu?«
    »Äh. Ja. Sicher«, erwidert Zach mit vollem Mund. Nach langer Pause fügt er »Dad« hinzu. Der echte Matt hätte ebenfalls gezögert, denn er mochte das Kanufahren nicht. Für unseren letzten Ausflug hat Dad uns um fünf Uhr morgens mit lauten Rufen aus dem Bett gescheucht. Ich erinnere mich, so hastig aus dem Bett gesprungen zu sein und meine Sachen angezogen zu haben, als hätte es Feueralarm gegeben. Draußen hatte Dad unsere Schwimmwesten nebeneinander auf einen Baumstamm am Fluss gelegt. Widerstrebend zog ich meine über. Sie stank, weil sie feucht in einen Plastikbeutel verstaut worden war.
    »Hol die Kühlbox, Matt!«, hatte Dad gesagt und war ins Kanu gestiegen.
    »Hol sie selbst«, erwiderte Matt, aber Dad hörte es nicht, weil ich laut hustete – ich gab vor, mich verschluckt zu haben. Mit einer Hand ergriff ich die Kühlbox, packte mit der anderen den Ärmel meines Bruders und zog beides zum Kanu. Zwar unternahmen wir diese Kanupartien schon seit Jahren, aber Matt und ich paddelten nach den Vorstellungen unseres Vaters noch immer nicht richtig. »Die andere Seite, Sara!«, rief er immer.
    Ich erschrecke, als Dad eine Plastikschale auf den Tisch stellt. Meine Gedanken kehren in die Gegenwart zurück.
    »Möchte jemand Chips?«, fragt er. Wir alle lächeln und schieben pflichtbewusst unsere Teller vor.
    Die Waffe liegt auf der Arbeitsplatte, unmittelbar neben der Tüte mit den Chips. Der Lauf weist auf mich. Als Dad die Schüssel auffüllt, frage ich mich, was passieren könnte, wenn er die Pistole zu Boden stößt. Würde sie losgehen und jemanden verletzen?
    Beim Essen fordert uns mein Vater der Reihe nach auf, vom vergangenen Tag zu erzählen. Mom spricht mit ihrer verstellt fröhlichen Stimme, und was sie sagt, klingt einstudiert und vertraut. »Heute kamen ziemlich viele Anrufe. Es gibt ein Sonderangebot für das Set Prächtiger Herbst . Ich habe dir einen der Teller gezeigt, nicht wahr, Sara?«
    »Äh … ja«, sage ich. Kein Wunder, dass es vertraut klingt. Genau das hat meine Mutter am Tag vor ihrem Verschwinden gesagt.
    Ich sehe meinen Vater an, um festzustellen, ob ihm was auffällt. Offenbar nicht. Er nickt und lächelt.
    Ich bekomme das Gefühl, dass Mom jeden Abend die gleiche Antwort gibt. Vielleicht

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