Wie die Hells Angels Deutschlands Unterwelt eroberten (German Edition)
sich schwer verletzt weiter, bevor er zu Boden sackte, durchbohrt von Kugeln ebenso wie von Klingen. Die Reanimationsversuche des alarmierten Notarztes blieben ohne Erfolg.
Der Arzt stellte eine Reihe von lebensgefährlichen Verletzungen fest, so war zum Beispiel die Schlagader im Oberschenkel durchtrennt worden. Tödlich war aber laut Obduktion eine Schusswunde in der Brust. Die Hinrichtung geschah im Stadtteil Hohenschönhausen – im Territorium der Höllenengel. Michael B. war zwei Jahre zuvor noch strafrechtlich wegen Bedrohung eines Bandidos aufgefallen. Da gehörte er noch zur Brigade 81, den berüchtigten Männern fürs Grobe. Die sechsmonatige Freiheitsstrafe setzte das Amtsgericht Tiergarten zur Bewährung aus.
Die Landeskriminalämter von Berlin und Brandenburg sahen sich mit dem »ersten Rockertoten der letzten Jahre« in ihren schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Der Krieg zwischen den Bikern nahm neue Dimensionen an. Sämtliche Polizeidienststellen Berlins verstärkten nach dem Mord ihre Präsenz in der Rockerszene und versuchten, den Ermittlungsdruck gegen die Hells Angels und die Bandidos hoch zu halten.
Mehrere Verdachtsmomente führten die Mordermittler zu dem 30-jährigen Hells Angel Oliver G. Der mutmaßliche Mörder und das Opfer kannten sich seit Jahren und saßen schon einmal gemeinsam auf der Anklagebank eines Berliner Gerichts. Die Staatsanwaltschaft hatte sie damals wegen eines brutalen Angriffs auf einen Bandido angeklagt. Der Beschuldigte G. lebte als arbeitsloser Gerüstbauer in Eberswalde. Nach den Todesschüssen entzog er sich der Vollstreckung eines Haftbefehls wegen illegalen Waffenbesitzes durch Flucht. Elf Monate lebte er im Untergrund, die Ermittler vermuteten ihn in Südspanien, dann stellte er sich braun gebrannt den Berliner Behörden. Diese steckten den Rocker in Untersuchungshaft, wo er jegliche Aussage verweigerte. Dem zuständigen Richter reichten die vorgelegten Beweise für eine längere U-Haft jedoch nicht aus, sodass er den mutmaßlichen Mörder auf freien Fuß setzte. Im Moment sieht es nicht danach aus, dass die Staatsanwaltschaft Berlin dazu in der Lage ist, Mordanklage gegen den vermeintlichen Todesengel von Hohenschönhausen zu erheben.
Cottbus, knapp 100 Kilometer südöstlich von Berlin gelegen, wurde zum nächsten Schauplatz des Bikerkrieges. Der 25-jährige Bandido Andre S. spazierte mit seiner 22-jährigen Ehefrau und ihrem erst elf Wochen alten Sohn durch die Cottbusser Innenstadt. Noch kurze Zeit zuvor wäre es undenkbar gewesen, dass Rocker ihre Feinde vor den Augen der Familie angriffen und dabei sogar Frau und Kinder attackierten. Dieses skrupellose Vorgehen verbot die Bikerehre, und selbst in den blutigen kanadischen und skandinavischen Kriegen hielten sich fast alle Beteiligten an diesen Kodex. Nicht so an diesem Tag in Cottbus.
Eine Gruppe Hells Angels griff den jungen Familienvater an, und auch die Frau wurde geschlagen. Die Angreifer drohten, Frau und Baby zu töten, doch Andre S. trug eine Waffe. Er zog seine Pistole und schoss fünfmal auf die Angreifer. Den Angel Robert H. trafen zwei Geschosse in den Oberkörper und nur eine Notoperation konnte sein Leben retten. Der Bandido wurde später zu einer Haftstrafe von 3,5 Jahren verurteilt.
Die Hells Angels mussten nicht nur einen immer aggressiver agierenden Bandidos MC abwehren, auch Auseinandersetzungen in den eigenen Reihen verursachten Verletzte und zogen polizeiliche Ermittlungen nach sich. Bereits 2009 war der ehemalige Präsident des Hells Angels MC Nomads, Holger »Hocko« B., 47, aus der rot-weißen Bruderschaft ausgeschlossen worden. Seine ehemaligen Brüder warfen ihm vor, sich an Geld aus der Vereinskasse bereichert zu haben. Er wurde nicht nur ausgeschlossen, sondern auch mit dem Status »out in bad standing« versehen. Selbst sein »Filthy Few«-Patch, das Abzeichen, das seinen Träger als Mörder für die Bruderschaft auszeichnet, reichte nicht, den Makel des »bad standing« auszugleichen. Dieses Urteil stellt die schlimmste Art des Ausschlusses dar und erklärt den Betroffenen praktisch für vogelfrei. Nach Angaben von Aussteigern verpflichtet ein Ausschluss dieser Art die Höllenengel regelrecht dazu, gegen den Exbruder vorzugehen.
Am 17. Mai 2011 folgte die Vergeltung für die angeblichen finanziellen Unregelmäßigkeiten. Östlich von Berlin, im märkischen Oderland bei Altlandsberg griffen unbekannte Täter Hocko an, stachen den ehemaligen Präsidenten mit einem Messer
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