Wie die Hells Angels Deutschlands Unterwelt eroberten (German Edition)
Denn eines war ihnen mittlerweile klar geworden: Wenn die Kanonen donnern, ist kein Geld zu verdienen. Und allein darum geht es.
Der im Folgenden geschilderte Vorgang hat seinen Ursprung im Jahr 2007 auf der Hamburger Reeperbahn, erlebte seinen kriminellen Höhepunkt aber erst im Mai 2011. Er veranschaulicht einmal mehr die heutige Rekrutierungspraxis eines Teiles des Hells Angels MC Germany.
Ein Hamburger Zuhälter war auf dem Kiez gut im Geschäft. Bis zu sieben Prostituierte schafften für ihn an. Durch Bodybuilding und Anabolika schuf er sich einen robusten Körper, um sich im rauen Geschäftsklima des Hamburger Rotlichtmilieus durchsetzen zu können. Genau diesen zur Waffe trainierten Körper setzte er bei einem Konflikt auf grobe Weise ein. Ein konkurrierender Lude, der Mitglied bei den Hells Angels Harbour City war, versuchte, ihm eine seiner Frauen abzuwerben, verweigerte jedoch die fällige und im Milieu übliche Ablösezahlung. Der Zuhälter verabreichte seinem Kontrahenten eine derbe Abreibung. Nach dem Regelwerk der Hells Angels – »One for all – all for one« – hätte nun der gesamte Club über den Angreifer herfallen und den Bruder rächen müssen. Doch einer der mächtigsten Hells Angels auf dem Kiez, Hans-Peter »Pit« K., 56, hatte anscheinend andere Pläne mit dem erfolgreichen und schlagfertigen Zuhälter.
Pit K. war den Hamburger Ermittlern schon seit geraumer Zeit als bundesweit bestens vernetzter Akteur in der kriminellen Szene der Hansestadt bekannt. Als die Hamburger Staatsanwaltschaft im Sommer 2000 eine große Zuhälterbande wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung angeklagt hatte, war er einer der Hauptbeschuldigten. Er wurde in diesem Prozess 2001 zu einer Haftstrafe von vier Jahren und acht Monaten verurteilt. Ein weiterer Beschuldigter in diesem Verfahren war Frank Hanebuth. Die Hamburger Staatsanwaltschaft ordnet Pit K. ein bekanntes Bordell am Hammer Deich zu und hält ihn für einen der größten Waffen- und Drogenhändler im Netzwerk der Hells Angels. Pit K. suchte nach der Auseinandersetzung im Milieu den erwähnten Zuhälter auf, so seine Aussage, und machte ihm ein Angebot, das er nicht ablehnen konnte. Anstatt ihm eine Tracht Prügel zu verpassen, warb er ihn für die Hells Angels an. Innerhalb kurzer Zeit durchlief der Zuhälter alle Stufen einer Angels-Karriere: vom Hangaround zum Prospect bis hin zum Vollmitglied. Er sagte später aus, dass Pit ihm 2008 einen weiteren Vorschlag unterbreitet habe: die Ausdehnung seines Zuhältergeschäftes von der hart umkämpften Reeperbahn ins beschaulichere München.
Die rund 35 Mitglieder der Münchner Hells Angels waren nach Aussage von Rudolf Wagner vom Münchner Kommissariat Organisierte Kriminalität »eher im gediegenen Alter, unternehmen Harley-Ausflüge und wollen ihren Frieden haben«. Verbindungen in die Rotlicht- und Drogenszene sind dennoch offensichtlich. Außerdem gab es auch dort neuere, jüngere Mitglieder, die bereit waren, sich den Hamburgern anzuschließen, um es unter allen Umständen zu Geld und Wohlstand zu bringen.
Die geschäftliche Vergrößerung sollte sich für alle Beteiligten als Sechser im Lotto erweisen, jedenfalls vorerst. Der Hamburger Zuhälter beschrieb München als »Paradies«, in dem für Frauen das Doppelte gezahlt werde und »das Gramm Koks für 115 Euro über den Tisch geht. In Hamburg kriegst du höchstens 50 dafür.« Seine Vorgehensweise bestand darin, Frauen ein halbes Jahr in Hamburg »einzureiten«, dabei ihren Willen zu brechen und sie dann in München anschaffen zu lassen.
Den gewalterprobten Hamburger Zuhältern hatte die Münchner Rotlichtszene nichts entgegenzusetzen. Die Connection aus zwölf Hamburgern und zehn Münchner Hells Angels um deren Vizepräsidenten »Michi« drängte örtliche Konkurrenten zur Seite und soll sich durch die Ausbeutung der Frauen eine goldene Nase verdient haben. Dank zahlreicher Messen, dem Oktoberfest und einfliegenden Scheichs als hochpotenten Kunden scheffelten die Zuhälter so viel Kohle, dass der Hamburger Neu-Angel bald drei Wohnungen, drei Autos und eine Harley-Davidson, Modell Knight Rider, sein Eigen nannte.
Die Connection expandierte weiter und geriet so in eine Auseinandersetzung mit einem Duisburger Großzuhälter. Der in der Szene als besonders brutal geltende Rotlichtkönig scheute in diesem Konflikt nicht davor zurück, Auftragskiller aus Exjugoslawien anreisen zu lassen. Dem in Revierkämpfen mehrfach verletzten
Weitere Kostenlose Bücher